Seepest
Mineralölkonzerne haben
Biotecc bei ihren Forschungsarbeiten mit beträchtlichen Mitteln unterstützt.«
»Sagt wer?«
»Sagt die Chefin von Biotecc. Hab zufällig ein
Gespräch zwischen ihr und einem Beobachter mit angehört. Hat wahrscheinlich
gedacht, ich verstehe kein Deutsch.«
»Ist doch klar«, erklärte Pablo. »Je stärker Roh- und
Schweröl aus havarierten Tankern die Meere verschmutzt, desto schärfer werden
die weltweiten Öltransporte reglementiert. Logisch, dass die Mineralölkonzerne
genau das mit allen Mitteln verhindern wollen. Es würde ihnen das ganze
Geschäft versauen.«
»Ja, aber … hätten dann nicht gerade sie allen Grund, die Forschung auf diesem Gebiet zu
fördern?«, überlegte Karin. »Angenommen, das Biotecc-Verfahren bewährt sich:
Wer sollte ernsthaft etwas dagegen haben, wenn auslaufendes Öl auf diesem Weg
unschädlich gemacht wird?«
»Es kann nicht funktionieren,
ich habe die Gründe ja schon erläutert. Warum sollten unabhängige
Wissenschaftler dagegen anreden, wenn sie keine berechtigten Zweifel hätten?
Jedermann wäre glücklich, wenn man die Weltmeere vor Katastrophen dieser Art
schützen könnte. Trotzdem sind sie sicher, dass es sich bei dem angeblichen
Wundermittel in Wirklichkeit um einen gigantischen Schwindel handelt. Überleg
doch mal selbst: Die Entwicklung solcher Verfahren mündet in
Geschäftsabschlüssen, von deren Dimension wir uns keine Vorstellung machen
können. Umso höher dürfte die Versuchung für die Biotecc-Leute sein, Ergebnisse
vorzuspiegeln, die es so gar nicht gibt … und genau da liegt die Katze begraben …«
»Der Hund, meinst du«, korrigierte ihn Karin, bevor
sie mit nachdenklicher Miene fortfuhr: »Da könntet ihr recht haben. Wie ihr
wisst, hat Biotecc die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Also hat das
Unternehmen, wie jede andere Aktiengesellschaft auch, entsprechend seinem
aktuellen Börsenkurs einen bestimmten Handelswert. Nun ist es aber ein offenes
Geheimnis, dass jeder Börsenkurs bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar, um
nicht zu sagen manipulierbar ist …«
»Ah, ich verstehe«, wurde sie von Elena unterbrochen.
»Du meinst, dass jede Erfolgsmeldung, die einen Umsatz- und Gewinnsprung
erwarten lässt, sich in einem steigenden Börsenkurs niederschlägt, ist es so?«
»Erfasst! Also noch mal im Klartext: Wenn Biotecc mit
seiner Neuentwicklung Erfolg hat, steigt automatisch der Wert des
Unternehmens.«
»Okay. Langfristig aber doch nur, wenn sich das
Produkt als nachhaltig erweist, also keine … keine Dings ist … äh, wie nennt
ihr das?«
»Eintagsfliege?«
»Genau … wenn es sich nicht nur um eine Eintagsfliege
handelt.«
»Richtig. Aber was ist, wenn die Biotecc-Leute auf
Nachhaltigkeit pfeifen? Wenn sie nur auf das schnelle Geld aus sind?«
»Du meinst, den Kurs in die Höhe treiben, egal wie,
und dann schnell verkaufen?«
»Könnte doch sein, oder?«
In diesem Augenblick passierte etwas höchst
Eigenartiges: Auf dem Hang hinter Karin spritzten feine Staubfontänen hoch,
verbunden mit einem hohen, kaum hörbaren Sirren; so schnell die Fontänen sich
gebildet hatten, so schnell fielen sie auch wieder in sich zusammen. Verwundert
hatten Pablo und Elena um sich geblickt, ohne allerdings dem Vorgang weitere
Beachtung zu schenken. Erst als sich das Ganze wiederholte, deutlich näher
diesmal und von einem trockenen »Plopp« begleitet, wurde Pablo plötzlich
lebendig.
»Runter, sofort runter!«, rief er ihnen zu,
gleichzeitig klappte er wie ein Taschenmesser zusammen. Als Karin seiner
Aufforderung nicht gleich Folge leistete, zog er sie unsanft zu sich herab.
»Was soll das?«, fragte sie ungehalten.
»Wir werden beschossen«, gab er halblaut zur Antwort
und spähte beim Versuch, den unsichtbaren Schützen zu entdecken, hinter dem
Busch hervor, der ihnen als Deckung diente.
»Frag nicht, warum … aber irgendwie hab ich damit
gerechnet«, flüsterte José dicht neben Karin.
Erneut hörten sie dieses »Plopp« und das Sirren
danach, das an einen Schwarm wild gewordener Bienen erinnerte und ihnen einen
kalten Schauer über den Rücken jagte.
»Die schießen mit Schrot«, rief Pablo. »Am besten, ihr
geht hinter dem Landrover in Deckung.« Der Standort des Schützen war nicht
auszumachen; er konnte hinter jedem Busch, hinter jedem Felsblock lauern.
Es trat eine kurze Pause ein, während der Karin und
Elena zu José hinter das Auto huschten. »Sie wechseln ihren Standort«,
vermutete José. »Wir sollten
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