Seeteufel
wenn unserer Suche eine falsche Annahme zugrunde liegt?«
»Welche falsche Annahme denn?«
»Moment, lass mich überlegen! ⦠Ja, dass beim Ableben der alten Damen durchaus jemand die Hand im Spiel hatte, und zwar in der vollen Absicht, sich deren Nachlass unter den Nagel zu reiÃen â nur eben nicht Einstein und Havanna?«
»Die waren in dem fraglichen Fall aber nun mal als Erben eingesetzt, das ist Fakt.«
»Und wenn da eine Panne passiert ist? Wenn die beiden eigentlich gar nicht erben sollten, sondern jemand ganz anderer?«
Jo bog in den Parkplatz der Polizeidirektion ein und stellte den Wagen auf dem reservierten Feld ab. »Wer sollte das sein? Und überhaupt: Ihre Annahme setzt voraus, dass es jemandem gelingt, die alten Damen in seinem Sinne zu beeinflussen. Dieser Jemand, das würde ich mal unterstellen, würde eine solche Panne ganz sicher zu verhindern wissen. Tut mir leid, Chef, aber Ihrer Theorie kann ich nicht viel abgewinnen. Sie enthält mir entschieden zu viele Konjunktive.«
Wolf brummte als Antwort etwas Unverständliches. Er war beileibe noch nicht überzeugt.
Wenig später saÃen sie mit Hanno Vögelein an Wolfs Besprechungstisch. Jo und Wolf rührten in ihrer Kaffeetasse, während Vögelein, auf seinen Laptop starrend, an einem Mineralwasser nippte.
»Was ist mit dem Phantombild, Hanno?«, fragte Wolf.
Vögelein drehte den Laptop so, dass Wolf und Jo den Bildschirm betrachten konnten.
»Wer soll das sein?«, fragte Wolf und zog die Brauen hoch.
»So war es abgesprochen, Chef! Das ist der Mann aus der Intensivstation: ohne Perücke, ohne Bart, ohne Brille. Sieht man doch!«
Wolf und Jo sahen sich an. »Nein«, antworteten beide wie aus einem Munde, und Wolf fügte hinzu: »Ich habe ihn zwar nie aus der Nähe gesehen, aber nach meinem Dafürhalten hat der Kerl hier mit dem Mann, den wir verfolgt haben, nur entfernte Ãhnlichkeit.«
»Entschuldigt mal, aber ich ging davon aus, dass wir nicht den Mann suchen, den wir in der Klinik beziehungsweise bei der Verfolgung gesehen haben. Dieser Mann war ja verkleidet, also gewissermaÃen eine Fälschung. Wer auÃer uns soll ihn erkennen? Was wir mit Hilfe der Ãffentlichkeit suchen, ist doch das Original, also den Mann ohne Perücke, ohne Warze und so weiter! Natürlich gibt es einige Unwägbarkeiten: Trägt er in Wirklichkeit eine Brille oder nicht, hat er einen Bart oder nicht? Welche Farbe hat sein Haar wirklich?«
»Du hast ja recht«, musste Wolf zugeben. »Wie wäre es, wenn du von unseren Spezialisten noch eine Variante anfertigen lässt, nämlich mit Verkleidung â falls der Kerl noch einmal etwas durchzieht? Dann haben wir Original und Fälschung, um bei deinen Worten zu bleiben. Nimm Jo mit, ihr könnt nämlich gleich noch ein Bild von dem Penner erstellen lassen, mit dem sie gestern Abend im Bootshaus zu tun hatte. Danach möchte ich, dass die Bilder an alle Zeitungen gehen, die die Bodenseeregion abdecken. Veröffentlichung zusammen mit einem Artikel, Tenor etwa: zwei Männer, die im Zusammenhang mit den toten Obdachlosen gesucht werden, mit ausdrücklichem Hinweis auf die uns bekannten Verkleidungen, dazu Zeit- und Ortsangaben, Bitte um Mithilfe der Bevölkerung und so weiter, ihr wisst schon. Sie sollen es möglichst in die morgige Ausgabe stellen. Was den âºSeekurierâ¹ angeht: Mit der Winter rede ich gleich selbst, die muss etwas mehr für uns tun, schlieÃlich zählt ihr Blatt zur Hauptlektüre der Ãberlinger.« Während sich Jo und Vögelein Notizen machten, fuhr Wolf fort: »Liegt der Bericht aus der Pathologie über Ottos Leichenöffnung endlich vor?«
»Hier, Chef, aber Sie können sich die Durchsicht sparen. Ist identisch mit den Ergebnissen von Einstein und Havanna.«
»Arsen?«
»Eindeutig Arsentrioxid.«
Wolf lehnte sich, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, in seinem Stuhl zurück und sah grübelnd seine beiden Mitarbeiter an: »Was Neues von Göbbels?« Als beide nur den Kopf schüttelten, fügte er seufzend hinzu: »Kann mir mal jemand die Lage erklären? Ich komm einfach nicht dahinter! Da werden drei Menschen mit Arsen ermordet, in allen Fällen soll es wie ein ganz natürlicher Tod aussehen â wenn man Erfrieren und Alkoholvergiftung als natürlichen Tod bezeichnen will. Seit
Weitere Kostenlose Bücher