Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
zu einem Fluss hinuntergefahren sein. Erst als sie anhalten, bekommt Jemma Gelegenheit, sich umzusehen, und bemerkt den kreisrunden Rand. Sie ist zum ersten Mal hier. Sie steigt aus und rechnet dabei fast damit, dass die Erde unter ihren Füßen nachgibt.
Als er den Zweisitzer gesichert hat, streckt Nathaniel seine Arme aus. »Ich stehe zu Ihrer Verfügung. Wo möchten Sie mich haben?«
Sie wandern umher und suchen nach einer passenden Position. Immer wieder kniet Mr. Byrne nieder und zieht etwas aus dem Kraterboden – vulkanische »Granaten« von vor Millionen von Jahren, Obsidiansplitter, einen Beilkopf aus Granit, wie ihn die Ureinwohner benutzten, die dieses Gebiet einmal bewohnt hatten. Er erzählt ihr von den Graptolithen, die er als Junge im Loddon gefunden hat, und von seinen Plänen, eine Expedition auszurüsten und sich auf die Suche nach dem Binnenmeer zu machen.
»Lachen Sie ruhig, Mrs. Voletta. Ich bin daran gewöhnt.« Wenn er von der Obsession seines Lebens spricht, erntet er darauf oft höhnisches Grinsen oder wird mit schallendem Gelächter lächerlich gemacht. Seitdem Sturt bei seiner Suche nach dem Binnenmeer gescheitert war, ist es zum geflügelten Wort für Selbsttäuschung geworden. So vergeblich wie die Hoffnung, das Binnenmeer zu finden . Nun klammert er sich daran, dass dieses Meer saisonal sein könnte, in Zeiten großer Regengüsse gedieh, sich aber unter die Erde zurückzog, wenn die Flüsse austrockneten. »Diese Theorie ist für den Geschmack der meisten Leute nicht nachzuvollziehen. Denn für die Ohrensesselreisenden, eine sehr verbreitete Spezies, gibt es entweder ein Meer oder keins.«
»Sie sind mir vielleicht ein Träumer, Mr. Byrne.«
»Ich verstehe das lieber als wissenschaftliche Ahnung.«
Jemma wählt eine Stelle, wo ein paar Bäume stehen und die Erde bis auf einen großen Granitbrocken fast nackt ist. Sie bittet ihn, auf diesem Platz zu nehmen.
»Machen Sie es sich bequem. Aber versuchen Sie nicht, allzu locker zu wirken, das funktioniert nie. Am besten reden Sie. Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Expedition oder was Ihnen sonst in den Sinn kommt.«
Nathaniel blitzt sie mit einem trägen Lächeln an. »Was mir sonst in den Sinn kommt, Mrs. Voletta? Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen das erzählen soll.«
Jemma nimmt die Kohle und skizziert den Umriss des Felsen. »Was fasziniert Sie so an diesem Meer? Wären Sie in einem Schiff hierhergekommen, würden Sie das womöglich anders sehen.«
Nathaniel widerspricht ihr. »Wenn diejenigen, die hierhergekommen sind, um Gold zu finden, gewusst hätten, was ich weiß, dann wären sie nicht in Scharen ins Inland eingefallen wie die Lemminge, die sie sind.« Er bemerkt ihre hochgezogenen Brauen. »Sie finden, ich urteile zu hart? Ich habe auf diesen Goldfeldern mehr Torheiten und gebrochene Herzen erlebt, als ich das für möglich gehalten hätte. Die Natur des Menschen in ihrer niedrigsten Form. Männer und Frauen, die sich nicht besser benehmen als Tiere. Engstirnigkeit, Verrat, Gier.«
Jemma wartet darauf, dass er fortfährt. Zum ersten Mal erlebt sie ihn derart leidenschaftlich, und das möchte sie festhalten. Aber, um ihn zu malen, muss sie ihre Wachsamkeit vernachlässigen und porös werden, um ihn durch ihre Haut einzusaugen. Muss zulassen, dass die Spannung auf ihren Pinsel überspringt. Sie konzentriert sich auf die muskulösen braunen Arme vor dem Granit, die scharfen Umrisse seiner Wange, weicht jedoch vorsichtig seinem glutäugigen Blick aus.
Im Meer sei mehr Gold zu finden, erklärt er ihr, als man jemals aus der Erde ausgraben könne. Alluviales Gold, durcheinandergewirbelt von den langsam schmelzenden Gletschern und aus alten Flüssen gespült, goldhaltiger Sand aus Küstenklippen, ausgewaschen von den Ozeanwellen. Mehr Gold als von tausend schiffbrüchigen Galeeren voller Kisten mit Münzen und Kandelabern und anderen geplünderten Schätzen.
Er habe sich oft gefragt, was passieren würde, wenn jemand all diesen Männern und Frauen, die auf der Suche nach ihrem Glück um die Welt segelten, sagte, dass der Stoff ihrer Träume den Wellen anhafte, die das Deck überspülten. Dass sie, würden sie mit angestrengtem Blick hinüber an Afrikas Küste schauen, dunkle Gestalten sehen könnten, die an ihren Ufern hocken und mit ihren Kalabassen den Sand durchsieben, in denen nach eines Tages Arbeit Goldablagerungen im Wert einer halben Guinea, vielleicht aber auch nichts zurückblieb. Dass auf ihrem Weg über den
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