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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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nicht weg, wie damals im Atelier. Der Kuss ist kurz. Ganz, als wäre ihnen überdeutlich bewusst, dass sie nicht allein sind und heute beruflich miteinander verkehren. Irina macht die Augen erst wieder auf, als der Kuss endet. In ihren himmelblauen Augen schimmert Traurigkeit. Alys scheint es, als ob die Luft zwischen den beiden flirren würde. Eine Spannung, aber keine positive. Ihr Unbehagen verstärkt sich noch. Sie wünscht sich zurück in ihre Wohnung, an ihren Schreibtisch, auf ihr Sofa oder – noch besser – in ihr Bett.
    „Ich zeige Eliot sein erstes Outfit, dann komm‘ ich zu dir“, sagt Irina schliesslich und verschwindet zwischen zwei Kleiderstangen in den hinteren Teil des Raums. Eliot folgt ihr auf den Punkt. Das Make-up-Mädchen kommt zu ihr herüber. Sie trägt eine Art Schürze um die Taille, mit vielen Fächern, in denen Pinsel, Quasten, Wimperntusche und Kajalstifte stecken. „Hallo, du musst das Model sein.“ Sie ist Mitte 20, klein und dunkelblond. Ihr offenes Lächeln erinnert an Mascha. Sofort fühlt sich Alys wohler. „Ja, ich bin Alys.“
    „Lena, freut mich.“
    Kurz darauf zupft Irina den Kragen des ersten Outfits zurück. Alys mag es. Weisse Bluse mit violetter Schleife am Hals, Bleistiftrock mit hoher Taille und Goldknöpfen, marineblau. Irina nennt es das ‚Miss Moneypenny’-Outfit. Es ist wie eine Rüstung, hochgeschlossen, aber eng und sexy. Alys fühlt sich wohl darin. Irina reicht sie weiter an Lena, die sie erst einmal in einen schwarzen Umhang hüllt, der das Outfit vor Puderflecken und anderem Make-up schützen soll. Sie setzt sich an den Schminktisch vor den Spiegel, schliesst die Augen, während Lena sie vereinnahmt, mit Haarbürste, Glättungseisen, Haarspray. Alys schliesst die Augen und versucht sich zu entspannen. Sie verliert sich in einer Welt, die wohlig nach Crème und Puder riecht. Lenas Hände sind sanft und geschickt. Daran könnte man sich gewöhnen .
    Irgendwann holt sie eine Stimme aus ihren Tagträumen. Sie kennt diese Stimme. Wie ein Bonbon, aussen zuckrig, innen hart. Selbstbewusst. „Natürlich gehöre ich da hinein, ich kenne das Model! Sie will mich dabeihaben.“ Mascha. „Hol mal Irina, sie kennt mich wirklich!“ Alys grinst und macht die Augen auf. Die männliche Stimme hat Mascha nichts entgegenzusetzen, wahrscheinlich ist es der nervös aussehende Assistent des Fotografen. Er hat keine Chance. Mascha ist gut und kennt sämtliche Tricks. Sei bestimmt. Berufe dich auf Beziehungen. Mascha würde auch ins Weisse Haus gelangen, wenn sie es darauf anlegen würde; bis in Barack Obamas Büro. Einer entfesselten Mascha hat keine Armee der Welt etwas entgegenzusetzen. Und wenn alle Tricks versagen, dann setzt sie ihre ultimative Waffe ein. Eine betörende Kombination aus Lächeln und Rehaugen .
    Sie hört Mascha ein paar Worte mit Irina wechseln und den Raum betreten. Ganz Mascha, fliegende blonde Locken und das Klappern von hohen Absätzen, nach Thierry Mugler riechend. Sie strahlt und Alys vergisst, dass sie eigentlich noch sauer auf Mascha sein wollte wegen der Noah-Geschichte. Da ist sie, ihre schöne, fröhliche Freundin und plötzlich fällt die Anspannung weg. „Hey Schnecke“, sagt Mascha. „Hey“, erwidert Alys. „Bin ich froh, dass du hier bist ...“ Mascha boxt sie zart in die Schulter. „Du hast doch nicht gedacht, dass ich mir dieses Spektakel entgehen lasse. Wow, du siehst unglaublich aus.“ Alys löst ihren Blick vom Gesicht ihrer besten Freundin und blickt erstmals in den Spiegel. „Oh!“, bringt sie hervor. Mascha und Lena grinsen sich an. Alys beugt sich etwas nach vorne und betrachtet das fremde Gesicht im Spiegel. Die Frau – ich – macht grosse überraschte Augen. Sie sind dunkel geschminkt und die Wimpern scheinen nicht enden zu wollen. Sind ja auch künstliche. Die Frau ist glamourös und irgendwie fremd. Lena hat ihr immerhin ihren roten Lippenstift gelassen und eine ähnliche Nuance verwendet. Alys ist froh drum. „Wow“, sagt sie. „Bin das wirklich ich?“ Mascha kann nicht aufhören zu strahlen. „Allerdings. Und du bist umwerfend.“ Die Frau im Spiegel verdreht ihre Katzenaugen. „Hör schon auf, M.“ Mascha streckt ihr andeutungsweise die Zunge heraus. Von Lena kommt ein kleines Lachen.
    Im gleichen Moment kommt Irina wieder in den Raum. „Bist du bereit, Alys?“ Alys nickt. Jetzt ist es wieder da, das Flattern im Bauch. „Ich bin bereit“, sagt sie. „Du siehst super aus“, versichert ihr Irina

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