Seidenfächer
– Herzen, die als eines schlagen. Die Sonne scheint ihnen auf die Flügel – taucht sie in ihre heilende Wärme. Die Erde breitet sich unter ihnen aus – alles gehört ihnen. Bei der Girlande oben auf dem Fächer flogen zwei kleine Vögel zusammen in die Luft – mein Mann und ich. Ich fand es schön, dass Schneerose meinen Mann mit in unseren liebsten Besitz einbezogen hatte.
Danach breitete ich auf dem Schoß das Taschentuch aus, in das der Fächer gewickelt war. Als ich hinunterblickte und meine Troddeln mit den Bewegungen der Träger wackelten, sah ich, dass sie mir einen Brief in unserer Geheimschrift aufgestickt hatte, um diesen ganz besonderen Moment zu feiern.
Der Brief begann mit der traditionellen Eröffnung an eine Braut:
Ich spüre Messerstiche in meinem Herzen, während ich dir schreibe. Wir haben einander versprochen, dass wir nie einen Schritt auseinander sein würden, dass nie ein böses Wort zwischen uns fallen würde.
Diese Worte standen in unserem Vertrag, und ich lächelte in Erinnerung daran.
Ich dachte, wir würden unser ganzes Leben gemeinsam verbringen. Ich habe nie geglaubt, dass dieser Tag einmal kommen würde. Es ist traurig, dass wir falsch in dieses Leben geboren wurden – als Mädchen -, aber das ist unser
Schicksal. Lilie, wir waren wie ein Mandarinentenpaar. Jetzt ändert sich alles. In den kommenden Tagen wirst du einiges über mich erfahren. Ich war unruhig und voller Sorge. Mit dem Herzen und den Augen habe ich geweint, denn ich dachte, du wirst mich nicht mehr lieben. Bitte denk daran, was auch immer du von mir hältst, meine Meinung von dir wird sich niemals ändern.
Schneerose
Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe? Schneerose war in den vergangenen Wochen sehr still gewesen, weil sie gefürchtet hatte, ich könnte sie nicht mehr lieben. Aber wie sollte das zugehen? Ich saß in meiner Blumensänfte auf dem Weg zu meinem Ehemann und wusste, dass sich niemals etwas an meinen Gefühlen für Schneerose ändern würde. Ich hatte böse Vorahnungen und wollte den Trägern zurufen, sie sollten mich nach Hause bringen, damit ich meine laotong von ihren Ängsten befreien konnte.
Doch dann kamen wir am Haupttor von Tongkou an. Überall explodierten Feuerwerkskörper, die Kapelle schepperte, trötete und trommelte auf ihre Instrumente ein. Meine Mitgift wurde abgeladen. Die Sachen mussten sofort in mein neues Heim gebracht werden, damit mein Mann die Hochzeitsgewänder anziehen konnte, die ich für ihn genäht hatte. Dann hörte ich ein scheußliches, aber vertrautes Geräusch. Einem Huhn wurde der Hals durchgeschnitten. Vor meiner Blumensänfte verspritzte jemand das Hühnerblut auf dem Boden, um alle bösen Geister abzuwehren, die mit mir gekommen sein konnten.
Schließlich öffnete sich meine Tür, und eine Frau, die als Oberste des Dorfes galt, half mir hinaus. Die eigentliche Dorfoberste war meine Schwiegermutter, aber bei diesem Anlass
wurde sie vertreten durch die Frau mit den meisten Söhnen. Sie führte mich zu meinem neuen Zuhause, wo ich über die Schwelle trat und meinen Schwiegereltern vorgestellt wurde. Ich kniete mich vor sie hin und berührte dreimal mit der Stirn den Boden. »Ich werde Euch gehorchen«, sagte ich. »Ich werde für Euch arbeiten.« Dann schenkte ich ihnen Tee ein. Danach wurde ich ins Hochzeitsgemach gebracht, wo ich bei offener Tür allein gelassen wurde. Nun trennten mich nur noch Augenblicke von meinem Ehemann. Ich hatte auf diesen Moment gewartet, seit Ehrenwerte Frau Wang zum ersten Mal zu uns nach Hause gekommen war, um meine Füße zu begutachten, und doch war ich jetzt ganz durcheinander, aufgewühlt und verwirrt. Dieser Mann war mir völlig fremd, deshalb war ich natürlich neugierig auf ihn. Er würde der Vater meiner Kinder sein, deshalb war ich auch gespannt, wie das wohl vor sich gehen würde. Zudem hatte ich gerade einen rätselhaften Brief von meiner Weggefährtin bekommen und machte mir ziemliche Sorgen um sie.
Ich hörte, wie ein Tisch verrückt wurde, um die Tür zuzustellen. Ich neigte den Kopf ein wenig, die Troddeln teilten sich, und ich sah, wie meine Schwiegereltern die Hochzeitsdecken aufstapelten. Oben auf den Stapel stellten sie zwei Becher Wein – einer mit einem grünen Band, der andere mit einem roten Band, und dann wurden beide zusammengebunden.
Mein Mann betrat das Vorzimmer. Alle jubelten. Diesmal versuchte ich nicht hindurchzuspitzen. Bei unserer ersten Begegnung wollte ich mich so
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