Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel
maßgeschneidert. Die Haare hochgesteckt, betrachtete Isabelle sich im Spiegel. Der Anblick gefiel ihr, wie sie zugeben musste. Was auch immer Toshi sonst noch mit ihr vorhatte, er sorgte in jedem Fall dafür, dass sie sich wohlfühlte. Der Gedanke ließ Isabelle lächeln – als sie es im Spiegel sah, wandte sie sofort den Blick ab. Nein, durch materiellen Firlefanz würde sie sich nicht kaufen lassen. Nur noch 26 Tage, dann wäre sie frei. Nur noch 26 Tage.
Gegen Mittag rief Isabelle Tomo über das appartementinterne Telefon an. Das Sakura View besaß eine eigene Etage mit drei Restaurants. Isabelle verabredete sich mit Tomo in einem davon.
Ihre Freundin kam eine gute Stunde später an und konnte ihren Mund kaum schließen. „Wann bist du denn in so eine feine Gegend umgezogen?“, fragte sie fassungslos, nachdem sie sich begrüßt hatten. „Eine Übernachtung hier kostet mehr, als ich in einem Monat mit meinem Halbtags-Job verdiene.“
Isabelle lächelte schwach. „Ich erkläre es dir gleich. Suchen wir uns einen Tisch.“
Das war nicht nötig, wie sich schnell herausstellte. Der Restaurantleiter empfing sie am Eingang und führte sie unter vielen Verneigungen an einen Tisch direkt am Fenster. „Isami-san lässt Ihnen ausrichten, dass Sie sich als seine Gäste hier wohlfühlen sollen. Bestellen Sie, was immer Sie möchten.“
Isabelle hüstelte verlegen. „Dann hätten wir gerne die Weinkarte“, sprang Tomo ein, und der Restaurantleiter ging, um das Gewünschte schnellstmöglich zu besorgen.
Tomos fein gezupfte Augenbrauen zogen sich unheilverkündend zusammen. „Wolltest du nicht Shin suchen? Was soll dann das hier? Lässt du dich von irgendeinem Kerl aushalten?“
Isabelle sah düster auf den Tisch. „Ich lasse mich nicht aushalten“, gab sie scharf zurück. „Die Sache ist komplizierter, als mir lieb ist.“ Sie senkte die Stimme, nicht aber die Eindringlichkeit ihres Tonfalls. „Und egal, wonach das hier aussieht – ich tue es für Shin!“
Eine Flasche Rosé-Champagner wurde an ihren Tisch gebracht, und der Kellner schenkte jeder von ihnen ein Glas mit dem prickelnden Getränk ein. Tomos Augenbrauen schossen wieder in die Höhe. „Ein großes Opfer, das du da bringst!“, sagte sie.
Isabelle runzelte die Stirn. Konnte sie es Tomo erzählen? Immerhin wusste sie bereits, dass Shin sich mit der Yakuza eingelassen hatte. Aber reichte das? Würde sie ihren Halbbruder damit in Gefahr bringen?
Tomo nippte an ihrem Glas, und Isabelle gab sich einen Ruck. Sie beugte sich vor und sagte: „Erinnerst du dich? Kyo und du, ihr habt von Shins Verbindung zur Yakuza gesprochen. So falsch habt ihr beide nicht gelegen.“
Tomo stellte das Glas mit einer vorsichtigen Bewegung auf den Tisch, als würde sie fürchten, es zu zerbrechen, wenn sie sich zu hastig bewegte. Ihr Blick lag lauernd auf Isabelle. „Was willst du damit sagen?“
„Shin hat sich mit eurer Mafia eingelassen. Ich versuche, ihn da rauzuholen.“
„Indem du dich zur Yakuza-Braut machst?!“, fragte Tomo entgeistert.
„Nein“, beruhigte Isabelle sie. „Es ist ein wenig anders. Kyo arbeitet auch für die Yakuza – er hat ihnen verraten, dass ich Shin suche, und ihr Boss hat mich ...“ Sie zögerte. ‚Entführt‘ erschien ihr falsch, auch wenn sie gegen ihren Willen fortgeschleift worden war und nun gezwungen wurde, Toshis perverses Spiel mitzuspielen. „Er erpresst mich“, fuhr sie stattdessen fort. „Ich soll einen Monat lang verschiedene Aufgaben erfüllen – wenn ich versage, liefert er mich als Schnüfflerin den anderen Yakuza aus ... was dann mit Shin passiert, kann ich nur ahnen.“
Tomo spielte nachdenklich mit einer Strähne ihres Haares. „Worauf hast du dich da nur eingelassen?!“, fragte sie.
„Hatte ich eine andere Wahl?“
Tomo ging darauf gar nicht ein. „Und von was für Aufgaben sprechen wir? Drogenkurier?“
Isabelle nahm ihr Glas und trank einen großen Schluck, um ihre Antwort hinauszuzögern. Vor Tomo war es ihr peinlich, davon zu sprechen. Die wartete aber geduldig, bis Isabelle nicht länger ausweichen konnte.
„Bisher ging es nur um Sex“, murmelte sie. „Er hat mich gestern zu einer Art ... Bondage-Treffen gebracht und gesagt, ich soll eine Fesselung in einem Monat genauso gut zur Schau stellen.“ Sie atmete tief ein. „Was soll ich tun, Tomo? Zur Polizei gehen und riskieren, dass Shin etwas passiert?“
Tomos Blick wanderte wieder aus dem Fenster, das die Skyline Tokios zeigte. Der
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