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Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi

Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi

Titel: Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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noch keine Meldung gibt – das ist doch auch ganz schrecklich für dich, nicht wahr? Für uns alle. Wir machen uns alle Sorgen.« Wieder drückte sie Oliver.
    »Du warst doch in der Pathologie?« Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Hände zitterten.
    »Ja, war ich. Kommt, lasst uns reingehen, es wird kühl hier draußen.« Martina klang ruhig und gelassen, doch Jürgen sah einen Nerv an ihrem Mundwinkel zucken. »Jürgen, wie wäre es, wenn du euch Bier aus dem Keller holst?«
    »Mir ist schlecht!« Oliver wankte zurück ins Wohnzimmer, lief dann in den Flur. Sie hörten die Tür des Gästebades zufallen.
    »Tut mir leid«, sagte Martina leise. »Ich wusste ja nicht …«
    »Mir tut es leid. Ich hätte dich vorher anrufen sollen, doch dazu war keine Gelegenheit. Es sieht nicht gut aus für Sabine, aber das wollte ich Oliver nicht so sagen. Nicht, bevor wir nicht eindeutige Ergebnisse haben. Er steht unter Schock und kann nicht allein bleiben. Ins Krankenhaus würde er nicht freiwillig gehen.«
    »Das verstehe ich.« Martina legte ihm die Hand auf den Arm. »Und ich kann nachfühlen, wie es ihm geht. Es ist schrecklich.«
    »Ja, das ist es.« Fischer schaute zu Boden, hob dann wieder den Blick. »Wo ist eigentlich Flo?«
    »In seinem Zimmer.« Martina lächelte.
    Fischer sah hoch zum Dach, das Fenster dort stand einen Spaltbreit auf. »Was hast du mit ihm gemacht? Ihn betäubt?«
    »Nein«, lachte sie. »Auf dem Rückweg von Duisburg bin ich bei der Metro vorbeigefahren. Ich hatte Lust auf ein Essen, das den schlechten Geschmack vertreibt. Brathähnchen erschien mir passend. Bei der Gelegenheit bin ich in die Technikabteilung gegangen und habe Florian gute Kopfhörer gekauft. Zu meinem Erstaunen hat er sie dankbar angenommen. Was hast du ihm gesagt? Nein – sag es mir nicht, das ist wahrscheinlich ein Ding unter Männern, ich will es nicht wissen. Aber es scheint geholfen zu haben.«
    »Fragt sich nur, wie lange«, murmelte Fischer verblüfft.
    »Wir nehmen es, egal wie lange es anhält, und genießen es.« Martina lachte leise. Dann wurde sie wieder ernst. »Was machen wir mit Oliver?«
    »Er hat Medikamente bekommen, ich weiß nicht, ob ein Bier da so gut ist.«
    »Psychopharmaka? Ein Bier schadet nichts, macht ihn nur müde. Ich geh schnell und bezieh das Gästebett in meinem Arbeitszimmer und leg ihm Handtücher raus. Du kannst schon mal den Tisch decken.« Sie küsste Fischer flüchtig auf die Wange.
    Fischer holte Bier aus dem Keller, deckte den Tisch und lauschte an der Tür zum Gästebad. Er hörte Oliver schniefen und verzichtete darauf anzuklopfen. Dann stieg er die Treppe hoch, klopfte an Florians Tür und trat ein. Florian lag auf dem Bett, das Zimmer sah leidlich ordentlich aus. Sein Sohn hatte Kopfhörer auf, der Fuß klopfte im Takt an die Bettkante.
    »Florian?«
    Der Junge rührte sich nicht. Erst zögerte Fischer noch, dann ging er zu ihm, berührte seine Schulter. »Flo?«
    Florian schreckte hoch. »Was?« Er sah seinen Vater an und nahm die Kopfhörer ab. »Ja?«
    »Wir essen gleich.«
    »Okay.«
    Fischer stutzte, drehte sich dann um und verließ den Raum. »Wie ausgewechselt«, murmelte er.
    Der Abend verlief friedlich. Das Brathähnchen war perfekt, der Reis knusprig und der Salat frisch. Oliver hielt sich an der Bierflasche fest, trank aber kaum daraus. Er nahm eine weitere Tablette, bevor er sich von Martina das Gästezimmer zeigen ließ.
    Florian half mit, den Tisch abzuräumen, ging dann wieder nach oben.
    Kopfschüttelnd schenkte Fischer seiner Lebensgefährtin noch ein Glas Wein ein, für sich selbst öffnete er eine Flasche Bier. Martina saß auf dem Sofa und schaute in den kleinen Garten.
    »Es ist so ruhig hier«, sagte sie. »Kaum zu glauben, dass dort draußen Menschen leiden und sterben.«
    Fischer reichte ihr das Glas, setzte sich und legte den Arm um sie.
    »Schreckliche Vorstellung.« Er holte tief Luft, nippte am Bier.
    Martina hob lauschend den Kopf, doch weder aus dem Gästezimmer noch aus dem Dachgeschoss war etwas zu hören.
    »Meinst du, es war richtig, Oliver so zu belügen?«, fragte sie nachdenklich.
    »Ich sehe das nicht als Lüge, sondern als Schutz. Wir wissen nicht, wer die Tote ist. Noch nicht.«
    Martina kuschelte sich in seinen Arm. Beide sprachen nicht aus, was sie wirklich dachten. Die Hoffnung schwand mit jeder Minute.
    In der Nacht wachte Fischer auf, weil er Schritte im Treppenhaus und kurz darauf in der Küche hörte. Er stand auf, nahm sich seinen

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