Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
Kinder?«
»Ja.« Ayla war immer noch blass.
»Ähm, ich weiß jetzt gar nicht, wie ich das fragen soll, ohne die Etikette zu verletzen – du bist türkischer Abstammung?«
»Ja, zur Hälfte jedenfalls.«
Der Aufzug hielt. Im Foyer waren gefühlte dreihundert Afrikaner, die aufgeregt durcheinandersprachen. Ermter ging zum Tresen. »Was ist das denn?«
»Wieder mal einer der Busse aus Holland.«
»Und?«
»Motorschaden.« Der Mann verdrehte die Augen. »Wir suchen gerade einen Ersatzbus, aber die Leute haben Angst um ihre Einkäufe.«
»Wie alle paar Wochen. Viel Spaß noch.« Eilig zog Ermter seine Kollegin zum Ausgang. Bis zum Nordbahnhof war es nicht weit, aber sie standen unter Zeitdruck. »Wir nehmen den Wagen«, murmelte er.
»Busreisende aus Holland?« Ayla sah ihn zweifelnd an.
Guido Ermter lachte. »Sie kommen alle paar Wochen. Aus den Niederlanden. Einige Dinge sind hier billiger als dort. Das mag man kaum glauben, aber es ist so: Die beiden großen Discounter haben extra Parkplätze gebaut, auf denen die Busse wenden können.«
»Aber … fährt man nicht zum Kaffeekaufen nach Holland?«
»Doch. Wir fahren zum Kaffeekaufen dorthin, und sie kommen wegen Schnaps und Schokolade zu uns. Meistens sind es Farbige, die mit den Bussen kommen.«
»Ach, das überrascht mich jetzt aber.«
»Aldi und Lidl haben dafür die Filialen am Gahlingspfad eröffnet. Uns hat es auch überrascht, und es gibt so manches Problem mit den Touren.« Er fuhr den Nordwall hoch, bog auf den Ring ein und parkte dann auf dem Parkplatz am Nordbahnhof.
Die Gleise längs des Restaurants führten von Tönnisberg zum Hülserberg und waren längst stillgelegt. Nur an Sonn- und Feiertagen zuckelte der Schluff, die historische Dampflok, in das Naturschutzgebiet. Der Nordbahnhof war ein beliebter Treffpunkt für die Anwälte, Staatsanwälte und Richter, da das Gericht direkt um die Ecke lag. Aber auch die Kripo frequentierte die Gaststätte häufig.
Die Sonne schien, und es war zu warm für Anfang April. Die Tische und Bänke auf der Außenfläche waren aufgebaut, und ein Kellner deckte gerade ein. »Wir haben noch nicht geöffnet«, sagte er, als sich Ermter an einem der Tische niederließ.
»Das geht in Ordnung.« Viktor Furth, der Eigentümer des Nordbahnhofs, trat an den Tisch und reichte Ermter die Hand. »Hallo. Du warst schon lange nicht mehr hier, Guido«, sagte er mit einem schelmischen Lächeln.
»Stimmt. Zwei Wochen muss es her sein. Eine halbe Ewigkeit.« Auch Ermter lächelte. »Wir haben einen schwierigen Fall und müssen mal ein wenig Luft schnappen. Und einen Happen essen.«
»Essen wird knapp, die Küche fängt gerade erst an. Was möchtet ihr denn?«
»Ich nehme wie immer ›Himmel un Ääd‹.« Fragend schaute Ermter zu Ayla.
»Das nehme ich auch«, sagte sie und lächelte.
»Kennst du das Gericht? Es ist mit Blutwurst …«
»Ja.« Sie nickte. »Ich kenne und mag es. Schön deftig, und die Äpfel geben dem Ganzen ein fruchtiges Aroma.«
»Geht klar. Das habt ihr in zehn Minuten.« Viktor Furth drehte sich um und ging zurück in das Gebäude.
»Blutwurst?« Ermter sah Ayla erstaunt an.
»Ich bin katholisch.« Sie lachte. »Ich darf das und mag es auch manchmal, Blutwurst, mein ich, nicht den Glauben.« Sie griff nach der Papierserviette und begann, sie zu falten. »Mein Vater ist Türke. Und Muslim. Aber er ist sehr offen, sehr weltgewandt. Meine Mutter ist Deutsche und katholisch – wie wir Kinder.«
»Wie kommt das? Ich meine, was macht dein Vater?«
Ayla wand sich ein wenig, sie schaute zu Boden, dann auf die Gleise, dann auf den Tisch. Ermters Blick vermied sie. »Er ist Professor.«
»Ach?«
»Ja.« Nun sah sie Ermter an. »Ein türkischer Professor. Er hat eine Stelle an der Fachhochschule Niederrhein seit ein paar Jahren. Mein Mann hat bei ihm studiert. Daher kennen wir uns.« Sie räusperte sich. »Wir haben erst in München, dann in Köln gelebt. Meine Eltern haben sich in München kennengelernt.« Sie spulte die Informationen ab, als wären sie auswendig gelernt. »Meine Mutter hat dort studiert, stammt aber aus Moers. Die Familie meines Mannes kommt aus Krefeld. Sie haben einen Textilhandel, eine Fabrik für spezielle Textilien. Es war immer klar, dass mein Mann in die Firma einsteigt. Nicht klar war, was ich machen würde. Ich wollte immer zur Polizei.«
»Wow – immer langsam, junge Frau. Warum?« Ermter winkte dem Kellner. »Trinkst du ein Pils?«
»Lieber einen Weißwein.« Sie
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