Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
zwei SMS geschickt und einmal versucht, ihn zu erreichen. Doch Jürgen war »temporarily not available« .
»Nein danke«, sagte Florian und schaute sie immer noch nicht an.
»Was für ein Problem hast du?«
»Martina, du hast doch keine eigenen Kinder?« Er formulierte es als Frage, obwohl er die Antwort kannte.
»Nein, habe ich nicht.« Sie sah ihn an, aber er erwiderte den Blick nicht.
»Ist schwierig für dich, oder?«
»Was?« Martina fragte, obwohl sie ahnte, was er meinte.
»Na ja, mit mir und so.«
»Ja.«
Florian seufzte. »Tut mir leid. Für mich ist das alles auch nicht einfach.« Dann schaute er auf und zum Flur. Martina folgte seinem Blick. Dort stand ein Mädchen, sie blickte verschämt zu Boden.
»Das ist Julia«, sagte er leise. »Wir haben ein Problem und brauchen deine Hilfe.«
Oh mein Gott, dachte Martina, das kann ich nicht, das ist nicht meine Aufgabe, darauf hat mich keiner vorbereitet, und das wollte ich nie. »Wie kann ich euch helfen?«, fragte sie dann, an Julia gewandt. »Komm doch rein und setz dich!«
Das Mädchen trat in den Lichtkegel der Wohnzimmerlampe.
Oh nein, dachte Martina, das ist doch Ermters Tochter. Bitte, lieber Gott, lass die beiden nichts miteinander haben, bitte nicht.
* * *
Nachdem sie Iris Goeken nach Hause gebracht hatten, steuerte Verena den Wagen quer durch die kleine Stadt. Inzwischen war es dunkel geworden.
Dunkler als am Niederrhein, so erschien es Fischer, als sie den Ortsrand erreichten. Nur spärlich leuchtete hier und da ein Licht, der Ort war klein und umgeben von Feldern, der Himmel erschien endlos und weit, begrenzt nur von einem Klotz von Berg vor ihnen.
»Das ist der Dreifaltigkeitsberg«, erklärte Verena und fuhr die Serpentinen hoch. Keine Laterne beschien den schmalen Weg, aber Verena schien ihn blind zu kennen, denn sie jagte geradezu die Straße entlang.
»So müde bin ich auch nicht!«, sagte Fischer gepresst und gähnte, um den Ohrendruck zu verringern. »Vor allem nicht lebensmüde, liebe Kollegin.«
»Des isch a bekannter Weg. Den fahr i immer in dem Tempo. Des isch a Kloschter, do lebet nette Prieschter.«
»Desch iss a Kloschta?«, versuchte Fischer ihren Dialekt zu imitieren.
»’tschuldigung. Ja, das ist ein Kloster. Es sind Claretiner – ein Orden, der sich auf einen spanischen Priester beruft.«
»Ich bin nicht besonders gläubig«, gestand Fischer.
»Des macht nix. Die sind offen für alles.« Verena schaute auf die digitale Anzeige im Wagen. »Schade, die Zeit für das Abendessen ist schon lange vorbei. Die fünf Padres versammeln sich zu den gemeinsamen Mahlzeiten, und dabei gibt es eine Lesung. Aber nicht aus der Bibel, sondern meist aus einem Krimi – kein Scherz. Der Tatort ist ihnen auch fast heilig.«
»Klingt interessant. Aber eigentlich bin ich einfach nur noch müde.«
»Kein Problem. Dort oben ist es ruhig.«
Das glaube ich gerne, dachte Fischer. Die rasante Fahrt den Berg hoch nahm ihm fast den Atem. War es vorher schon dunkel gewesen, so war es hier nun finster, denn Wolken zogen auf und verdeckten das Sternenlicht.
»Aber das ist doch keine Pension?«
»Nein, sie haben Gästezimmer. Man kann sich da zur inneren Klausur zurückziehen.«
»Und du meinst, ich hätte das nötig?«, fragte Fischer besorgt.
Verena Hälble lachte hell. »Nein. Ich kenne Pater Pius sehr gut, er steht dem Kloster vor. Ich habe ihn gefragt, ob du übernachten könntest. Darfst du, sie sehen es als Akt der Nächstenliebe. Die Betten und das Essen sind gut, ich dachte, das wäre passend. Pater Pius ist ein besonderer Mensch. Er war mein Religionslehrer, und ich mag ihn sehr.«
»Ach?« Fisher sah sie interessiert an, während sie den Wagen auf dem kiesbedeckten Platz vor dem Kloster parkte.
»Ja. Aber rein freundschaftlich. Wirklich. Er ist wie ein Vater zu mir, ein liebevoller, aber distanzierter Vater. Du wirst es sehen.« Sie lachte.
Pater Pius begrüßte sie herzlich. Verena versprach, Fischer am nächsten Morgen abzuholen, und verabschiedete sich bald.
Fischer folgte dem Pater in die Gemäuer des Klosters.
»Im ZDF läuft noch das Montagskino«, erklärte der Pater. »Das schauen wir gerade. Möchten Sie mitgucken?« Der Pater sah Fischer lächelnd an. »Wie wäre es mit einem Bierchen?«
»Ein Klosterbräu?« Fischer überlegte nur kurz. »Sonst immer gern, aber der Tag war anstrengend, und morgen muss ich zurück an den Niederrhein.«
»Na gut, das kann ich verstehen. Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Sie sind der
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