Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
nickte. »Jedenfalls ist so eine Schrebergartenanlage etwas Besonderes. Es ist eine Welt für sich, aber es gibt dort auch alle Arten von Menschen – die Guten, die Bösen, die Netten, die Unfreundlichen, die Hilfsbereiten und die Gleichgültigen. Und natürlich funktioniert dort das Nachrichtensystem.«
»Okay, kann ich mir vorstellen.« Fischer grinste.
»Goeken war unbeliebt. Es gibt einige, die seinen Tod begrüßen. Besonders Nils.«
»Nils?«
»Ja, Nils Loers. Ist überhaupt ein Ding, dass er zurückgekommen ist.« Schink nahm sein Weinglas und schenkte sich aus der Flasche nach, die auf dem Schachtischchen stand. »Nachdem seine Tochter verstorben ist, haben er und seine Frau Krefeld verlassen. Sind irgendwo nach Norddeutschland gezogen.«
»Es ist tragisch, sein Kind zu verlieren«, meinte Fischer.
»Ja. Daran ist dann wohl auch die Ehe gescheitert. Nils kam zurück nach Krefeld. Aber dass er sich einen Schrebergarten genau in der Anlage gepachtet hat, wo auch Goeken war, grenzt schon an Masochismus.«
»Wieso?«, fragte Fischer erstaunt.
»Na, weil er Goeken doch damals angezeigt hatte …«
In diesem Moment klingelte Fischers Handy. Ermters Name erschien auf dem Display. Einen Moment zögerte Fischer. War dies ein privater Anruf? War er schon so weit, mit Guido zu sprechen?
Er schluckte, nahm dann ab. »Ja?«
»Hallo, Jürgen.« Ermter schien abzuwarten, ob Fischer etwas sagte, sprach dann weiter. »Wir haben eine Vermisste.«
»Eine Vermisste, auf die die Beschreibung passt?«
»Sieht so aus. Wir versammeln uns in zehn Minuten zur Besprechung. Ich dachte, du würdest das wissen wollen.«
»Danke, Guido.« Nachdenklich legte Fischer auf. Er war noch nicht wieder diensttauglich geschrieben worden. Andererseits war er von Anfang an an den Ermittlungen beteiligt gewesen. Sollten sie nun endlich weiterkommen in dem Fall? Und sollte er dann nicht dabei sein? Versuchen, dazu beizutragen? Er hatte die Entscheidung getroffen, weiter im Dienst zu bleiben. Dazu gehörte auch, Freizeit zu verschenken.
»Ich muss leider gehen«, sagte er bedauernd zu Jakob Schink.
»Das habe ich mir fast gedacht. Ein letzter Zug noch – Läufer von D5 auf F6. Die Partie hast du so gut wie verloren.«
Fischer schaute bekümmert auf das Schachbrett. »Sieht so aus. Wir spielen sie trotzdem zu Ende. Beim nächsten Mal.«
»So machen wir das.« Schink lächelte. »Geh ruhig. Ben und ich finden alleine hinaus.«
Jakob Schink war zu einem Freund geworden. Die Schachspiele machten Spaß, sie forderten beide, aber sie boten auch Platz für Gespräche und Gedanken. Es war nicht nur ein Zeitvertreib; sie vertrauten einander. Auch Guido ist ein Freund, dachte Fischer, als er in seinen Wagen stieg. Doch wie würde sich ihre Freundschaft nun verändern? Würde sie sich überhaupt verändern? Er mochte Guido und Sigrid, er mochte auch Julia, so weit er sich an sie erinnerte.
Er fuhr die Moerser Landstraße entlang. Krefeld war ihm inzwischen vertraut, wurde langsam zu seiner Heimat. Das Haus, das Martina und er gemietet hatten, war ein Zuhause geworden. Würde sich seine Beziehung zu Martina verändern? Sie hatte keine Meinung geäußert, ihm nur die Fakten mitgeteilt, wollte nicht Stellung beziehen. Noch nicht, dachte er. Eine Meinung hatte sie bestimmt.
Das führt alles zu nichts, dachte Fischer. Die Zeit wird zeigen, wie sich alles entwickelt. Erst einmal musste er mit Florian und Julia sprechen. Wie sie sich das vorstellten, was sie wirklich wollten, ob sie das wirklich wollten und ob sie sich der Konsequenzen bewusst waren. Noch waren keine Entscheidungen getroffen, sondern nur Wünsche geäußert worden. Wünsche, die ihm surreal anmuteten.
Er fuhr auf die Morserstraße. Vor der Ampel bei Marcellis staute sich wie immer um diese Zeit der Verkehr.
Mit Florian hatte er bisher nur kurz sprechen können. »Wie stellt ihr beiden euch das vor?«, hatte er seinen Sohn gefragt.
»Das wissen wir noch nicht.« Florians Gesicht, das sich vor ein paar Tagen endlich geöffnet hatte, war nun wieder verschlossen. Als hätte Florian ein Visier heruntergeklappt.
»Woher kennst du sie überhaupt?«
»Du hast mich vor zwei Jahren mal zu einer Grillparty zu Ermters mitgenommen. Seitdem standen wir bei Facebook in losem Kontakt. Da ich hier niemanden kannte, hatte ich sie angeschrieben. Sie hat geantwortet, und so kam eins zum anderen.«
Ich habe ihn mitgenommen, dachte Fischer. Ich habe die beiden bekannt gemacht. Aber das änderte
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