Seifenblasen kuesst man nicht

Schutzhüllen versteckt, nebeneinander. Den siebten hatte jemand direkt vor das Tor gefahren. Dieser Jemand war David.
    Er saß auf dem Fahrersitz, ein Bein drinnen, ein Bein draußen, und beobachtete sie durch den Rückspiegel. Er sagte nichts und verzog keine Miene. Wahrscheinlich hatte er genauso gute Laune wie sie.
    Â»Hi«, sagte sie unsicher, als sie näher kam. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn hier unten zu treffen.
    Er wohl auch nicht. In der Hand hielt er eine Bierflasche. »Auch keine Lust auf Party?«, fragte er und trank einen Schluck. Sie sah, dass die Zündschlüssel im Schloss steckten.
    Â»Ich muss nach Hause.« Unschlüssig blieb sie stehen.
    Â»Schön, wenn man so was hat.«
    Â»Aber …« Sie drehte sich um, zurück Richtung Treppe, die hinauf in die Eingangshalle der großen Villa führte. »Viel mehr Zuhause als hier kann es doch kaum geben.«
    Â»Masse statt Klasse? Das täuscht.« Er hob die Flasche. »Willst du einen Schluck?«
    Â»Nein. Ich hoffe, du hast nicht vor, noch zu fahren.« Sie betrachtete das Auto genauer.
    Â»Angst, ich könnte an der nächsten Laterne landen?«
    Â»Nein … äh, ja«, sagte sie. Etwas lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Sie strich vorsichtig, beinahe andächtig über den Kotflügel. »Aber nicht um dich, sondern um dieses Teil hier. Ein … 356 Porsche Coupe 1964? Wo habt ihr denn den her? Den gibt es nur noch ein paar Dutzend Mal auf der Welt.«
    Ihr Vater hatte so einen Wagen einmal in der Werkstatt gehabt. Er hatte die gesamte Familie heruntergeholt und ihnen einen Vortrag gehalten. Seine Augen hatten geleuchtet. Benzin im Blut. PS in den Adern. Sie wollte es nicht hören. Wieder so ein Haufen Blech, der wichtiger war als alles andere. Doch dann hatte er begonnen, von der Legende zu erzählen, die aus diesem Wagen geworden war. Das erste, noch von Ferry Porsche entworfene Serienmodell. 1965 wurde es vom 911er abgelöst. Eine Legende auf vier Rädern. Eine Kostbarkeit, wie alles, was rar und selten war. Wenn das ihr Vater sehen könnte. Er würde durchdrehen.
    David kletterte aus dem Wagen und musterte sie mit einem rätselhaften Blick. »Woher weißt du, was ein 1964er Porsche ist?«
    Sie würde den Teufel tun und es ihm erzählen. Nicht, weil sie sich für ihren Vater schämte. Ganz im Gegenteil. Sondern weil er so überheblich klang, als ob nur Leute seines Schlages so etwas kennen dürften. Sie richtete sich auf. »Das weiß doch jedes Kind. Ein altes Auto. Willst du mich für dumm verkaufen?«
    Â»Aber … Du weißt, was das hier ist?«
    Sie hob ungefähr so arrogant die Augenbrauen, wie Jasmin das getan hätte. »Glaubst du, reiche Jungens haben ein Abo auf Allgemeinwissen?«
    Â»Ã„h … nein. Natürlich nicht.« Er geriet ins Stottern. »Aber der hier …«
    Â»Ich finde das ja schön, dass ihr eure Gebrauchtwagen nicht vor dem ersten TÜV verschrottet.« Sie konnte ihm ansehen, dass er das Wort »Gebrauchtwagen« für dieses Geschoss alles andere als passend fand. »Ach, der hat ja noch die alten Radkappen. Die würde ich aber wirklich mal austauschen.«
    Die Original-Radkappen gab es so gut wie gar nicht mehr. Das Ding war eine Granate.
    David schluckte. »Ich glaube, du hast keine Ahnung, was du hier …«
    Â»Stimmt. Ich habe null Ahnung. Auch nicht von Scheibenbremsen. Aber ich vermute mal, dass ihr sie regelmäßig checken lasst, denn sie sind die Schwachstelle. Die Lochscheibenräder waren damals noch nicht der Weisheit letzter Schluss.«
    Ihm blieb fast der Mund offen stehen. »Die … Lochscheibenräder?«
    Coralie lächelte. Und es war ein Lächeln von der Sorte, das man nur dann hinbekommt, wenn man letzten Endes doch noch als Sieger von einem Schlachtfeld geht. »Ich glaube, du hast keine Ahnung, was hier unten steht. Mach’s gut.«
    Damit ließ sie ihn stehen, ging zu der kleinen Tür neben dem Garagentor, betete auf den letzten Schritten, dass sie sich auch öffnen ließ und ihr bühnenreifer Abgang nicht durch irgendeine dämliche Sicherheitsvorkehrung vermasselt wurde. Dem Kameraauge über ihr warf sie noch eine Kusshand zu. Die Tür ging auf. Sie stand auf der Straße.
    Halb elf. Sie würde diese Nacht keine vier Stunden Schlaf kriegen. Wollte sie das überhaupt? Die Tür hinter ihr fiel zu. Das Haus