Seilschaft (German Edition)
streicheln und welche atemlose Instruktion auch immer ihm hastig hingeworfen wurde. Nur die Nacht überstehen.
Und das tat er.
Am nächsten Morgen plagten ihn neue Qualen, und alte waren wieder auferstanden. Sein Gelenk. Der Abstieg war schwer. Nico versuchte sich zu beherrschen und seine Schmerzen nicht zu zeigen, aber, verdammt, es war hart.
Er hatte das Gelenk verbunden, um es ein wenig zu stützen, aber eine Annäherung an den Normalzustand war nicht zu erreichen.
Jason musste ihm oft helfen, und er tat es mit konsterniertem Blick, als stellten die Probleme eine persönliche Beleidigung für ihn dar.
Andererseits, er war noch da. Er hätte leicht auf und davon sein können. Nico hatte die Angst für sich behalten, dass Jason am Morgen einfach packen und verschwinden würde. Er hatte es nicht für wahrscheinlich gehalten, aber zur Hölle, was war noch wahrscheinlich auf dieser Bergtour? Wenn irgendjemand ihm vorhergesagt hätte, dass er jemals tun würde, was er getan hatte, hätte er entweder gelacht oder wäre schwer gekränkt gewesen. Sicher, er hatte nichts gegen härteren Sex, aber doch immer im Rahmen einer Beziehung.
Einer sicheren, festen Beziehung, in der Lawinen nur eine Metapher für Leidenschaft darstellten und nicht die Hintergrundmusik in der Nacht.
Jason wurde langsam ungeduldig.
«For fuck’s sake, Nico», fluchte er und sprach es in seinem Ärger «fook» aus. «Der Weg ist jetzt nicht mehr schwer. Wir sind durch die problematischsten Stellen, also hör auf mit dem Quatsch.»
«Jason, mach langsam.» Sie näherten sich einer letzten Spalte, groß und weiß, mit einem breiten Übergang, der in Jasons Augen wahrscheinlich einladender aussah als viele andere Schneebrücken, die sie überquert hatten und die er auch schon auf dem Hinweg leicht bewältigt hatte – denn sie waren auf ihren alten Weg gestoßen. Aber Nico spürte die Gefahr lauern.
Er verbot sich die melodramatischen Gedanken. Reiß dich zusammen. Und Jason zurück, vor allem.
Jason starrte ihn überrascht an, als Nicos Hand ihn entschieden zurückzog.
«Langsam? Langsam? Ich mach die ganze Zeit langsam!»
Aber Nico ließ nicht locker. Jasons Augen wurden schmal, als er ernsthaft überlegte, sich aus Nicos Griff zu befreien, dann sah er unsicher zurück auf die Spalte. Auf einer Seite der Brücke war ein Abgrund, das Blau und Grün dunkelte ab bis zum Schwarz in der Tiefe. Ein eisiges Grab. Nico sah die Schneebrücke genauer an.
«Was zum Teufel ist mit dir los?», schimpfte Jason.
«Die Brücke sieht nicht gut aus», antwortete Nico fest. Jason sah zwischen ihm und der Brücke hin und her.
Es war immer beeindruckend, wie die Nähe des Tales, die Nähe von Wärme und Sicherheit die beste Vorsicht ruinierten. Als ob die Leute voraussetzten, dass der Berg ihnen nichts mehr antun würde, wenn sie fast am Ziel waren. Das wäre schließlich nicht fair.
Aber Jason erwies sich als nicht ganz so dumm, wie es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte. Er zögerte irritiert.
«Willst du diese ganze Geschichte immer noch in die Länge ziehen, Nico?», fragte er bitter. «Was willst du jetzt machen? Hier bleiben, bis es dir sicher vorkommt?»
«Ich kann dich nicht sichern, Jason. Hier ist keine gute Stelle, um den Eispickel zu vergraben oder sonst eine Sicherung zu bauen. Ich müsste dich aus eigener Kraft halten, und mit dem kaputten Gelenk ist das so gut wie unmöglich. Ich könnte dich nicht halten bei einem Sturz.»
Nico bemerkte sofort Jasons kranken Gesichtsausdruck, als das Wort «Sturz» fiel.
«Es gibt einen anderen Weg, ein Stück weiter in dieser Richtung. Wir müssen einmal abseilen, das war’s. Ich weiß, du machst das nicht so gern, aber es ist besser.»
Jason überlegte kurz. Er seufzte ungeduldig.
«Gut. Wie auch immer. Lass uns nur voranmachen und zum Schluss kommen.»
Und endlich waren sie mal wieder einer Meinung.
Jason lag ein gutes Stück voraus, als sie die Abseilstelle erreichten. Nico kam es nicht ganz ungelegen, den Blonden von hinten zu sehen. Der Weg war jetzt sehr viel einfacher, und Nicos Zuversicht kehrte zurück.
Als Nico die Abseilstelle erreichte, hing Jason offenbar bereits in der Wand auf dem Weg nach unten. Das Seil lag um einen Block geschlungen, der eine merkwürdige Form aufwies ... er trug zwei steinerne Hörner, was ihm etwas Teuflisches und Unheimliches verlieh.
Er konnte Jason nicht sehen. Auch wenn er keine Höhenangst hatte wie Jason, mit dem verletzten Fuß wollte er nicht
Weitere Kostenlose Bücher