Sein mit Leib und Seele - Band 06
damit angefangen, mit Charles zu schlafen, weil er reich ist? Ich glaube nicht. Das will ich nicht glauben. Und Guillaume? Wie weit würde er gehen, um seine Miete bezahlen zu können?
Ich liebe das Marais-Viertel! Seine alten Steine und den freien Geist, der dort herrscht. Ich glaube, dass das das ideale Viertel für meinen italienischen Unternehmer ist. Ich habe ein wunderschönes Apartment ausfindig gemacht. Ein „kleines“ 200 m² großes Nest unter dem Dach mit einer Terrasse aus Zink. Mit sichtbaren Trägern, Kaminen und sechseckigen Bodenplatten aus gebranntem Ton. Manon würde Kopf und Kragen riskieren, um hier eine Nacht verbringen zu können. Silvio scheint es ebenfalls zu gefallen.
„Mademoiselle Maugham, Sie haben mein Herz berührt. Mir gefällt dieses Viertel und das Apartment.“
„Ich wusste es!“
„Leider bin ich kein Student mehr!“
„Wie meinen Sie das?“
„Dieses Apartment ist ideal für einen Studenten! Es eignet sich perfekt, um sich mitten in der Nacht Nudeln zu kochen und seine Eroberungen mit nach Hause zu bringen ... Aber nicht um Schlips tragende Investoren zu empfangen.“
„Ich verstehe.“
Ich habe meinen Stolz hinuntergeschluckt. 200 m² – ich weiß nicht, was er für Studenten kennt ... Man kann nicht immer gewinnen. Ich werde meine Suche fortsetzen.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, Guillaumes Tante durch vornehme Stadthäuser im 16. Arrondissement zu führen. Ich bin gerade wie abgestumpft, da ich das Gefühl habe, dass sie sich alle gleichen, mit ihren Kristallkronleuchtern, ihrem Stuck und Marmor. Und dann machen mich diese großen, leeren Räume traurig, sie sind wie ein Echo meiner Einsamkeit und der meiner Kundin. Ich spüre, dass sie ermattet, nichts gefällt ihr, nichts begeistert sie. Sie ist mit den Gedanken woanders.
„Wissen Sie, ich glaube, dass ich noch Gefühle für ihn habe.“
Ach, wir reden jetzt also? Sehr gut.
„Für Ihren Mann?“
„Ja.“
„Wie ist er denn so?“
„Sehr männlich. Ich finde ihn etwas grob, aber er hat etwas Animalisches an sich, das mich auch sehr reizt. Das ist schwierig zu beschreiben.“
„Und er? Wissen Sie, was er für Sie empfindet?“
„Zur Zeit nicht. Zu Beginn unserer Ehe war er total verrückt nach mir. Er machte überall Liebe mit mir, die ganze Zeit. Unter einer Veranda, im Taxi, sogar in einer Kirche.“
Ich bin baff. Wie sind wir darauf gekommen? Warum redet sie plötzlich mit mir über Sex? Ich bin peinlich berührt. Und gleichzeitig fasziniert. Ich stelle mir diese zerbrechliche Puppe aus Porzellan zwischen den kräftigen Händen eines animalischen Mannes vor. Charles, komm schnell wieder, ich werde noch wahnsinnig! Ich versuche, das Thema zu wechseln.
„Na, und? Was sagen Sie dazu?“
„Nein. Immer noch nicht.“
„Aber wir nähern uns Ihren Wünschen, oder?“
„Ja, ja, das tun wir. Ich hoffe auf eine Art Offenbarung.“
„Vielleicht müssen Sie erst wissen, was aus Ihrem Mann und Ihnen wird, bevor Sie planen können?“
„Wer weiß? Sehen Sie heute Abend Guillaume?“
„Ach, ja, das stimmt.“
„Ich bin mir sicher, dass Sie zwei sich prächtig amüsieren werden.“
Ich bin mir sicher, dass sie das mit einem sexuellen Unterton gesagt hat. Das ist wirklich seltsam. Diese Frau ist so diskret und zugleich so unanständig. Es fällt mir schwer zu glauben, dass sie zur selben Familie gehört wie Guillaume. Ich denke an Alines Worte, aber ich wage es nicht, den Gedanken in Betracht zu ziehen, der sich in mir formt.
6. Falsches Vertrauen
Als ich um 20 Uhr bei Guillaume ankam, ließ der mich auf seinem Schlafsofa Platz nehmen, drückte mir ein billiges Bier in die Hand und bat mich, mich noch etwas zu gedulden, während er duschte. Ich sitze also auf seinem Bett/Sessel in seinem Büro/Empfangszimmer. Eine Palette vom Weinhändler ersetzt den Tisch und sicher auch den Schreibtisch. Wenn ich die Hand ausstrecke, berühre ich die Tür zum kleinen Bad, aus dem ich ihn summen höre. Ich ersticke hier. Ich würde gerne etwas hin und her laufen, aber hier ist kein Platz. Ich beschließe, mir anzusehen, was sich auf dem Tisch befindet. Rechnungen, aus der Bibliothek ausgeliehene Bücher, nichts wirklich Interessantes. Ich öffne das Buch, dem er schon zwei Jahre seines Lebens gewidmet hat – irgendwann muss ich es auch einmal lesen – und ein halb offener Umschlag fällt zu Boden. Er ist voller Geldscheine. Ich erinnere mich nicht, dass die Bibliothek in bar bezahlt ... Das ist
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