Seine einzige Versuchung
Stimme des Professors war durchdringend genug, um ihnen die wesentlichen Fakten bereits vermittelt zu haben. Sie blickten sich künstlich betreten an und tuschelten hinter vorgehaltener Hand, während sich Preuß wieder Benthin zuwandte:
„Also, nun mal der Reihe nach, was ist passiert?“ und an seine Frau gerichtet: „Würdest Du Dich bitte wieder um Deine Gäste kümmern?“ Er wollte die klatschsüchtigen Weiber unbedingt aus dem Weg haben. Sie hatten bereits mehr als genug mitbekommen. Schon ahnte er einen Skandal, doch vielmehr sorgte er sich um das Wohl seiner Tochter. Er lenkte Benthin in sein Arbeitszimmer, während er seiner Frau gegenüber eine scheuchende Geste machte, sie möge mit ihren Damen wieder im Salon verschwinden. Benthin wurde leicht schwindelig bei der Erkenntnis:
„Sie ist nicht hier?“
„Nein, wie kommen Sie nur darauf, Benthin? Sie beunruhigen mich zutiefst mit Ihrem Auftritt. Ist ihr etwas zugestoßen?“ Panik breitete sich auf seinem Gesicht aus. Benthins Ängste bewegten sich in eine andere Richtung: War sie doch zu Kabus gegangen? Hatte Sie ihn angelogen und die Reumütige nur gespielt, als sie sagte, er bedeute ihr nichts? Er war nicht in der Lage, ihrem Vater die Sorgen abzunehmen. Stattdessen eilte er ohne ein Wort aus dem Arbeitszimmer zurück in die Halle, um die Treppe hinaufzustürzen und nach ihr zu rufen, als vermute er sie tatsächlich dort. Sein Schwiegervater folgte ihm. Die Angst um Elli und der Zorn über Benthins Verhalten ließen ihn ungehalten reagieren:
„Hören Sie endlich auf, sich wie ein rasender Irrer in meinem Haus aufzuführen! Wenn ich es Ihnen doch sage: sie ist nicht hier ! Und jetzt sagen Sie mir endlich, was los ist!“ Benthin senkte betreten den Kopf.
„Professor, es tut mir leid. Ich kann Sie beruhigen - es geht ihr vermutlich gut. Ich habe sie noch vor etwa einer halben Stunde in der Stadt gesehen.“
„Und warum wissen Sie dann nicht, wo sie ist?!“ Er war immer noch konsterniert über Benthins Benehmen.
„Dann wissen Sie es noch gar nicht?“
„ Was sollte ich wissen? Ich kann ihren Gedankengängen nicht folgen, Benthin. Sie reden doch sonst nicht so wirres Zeug. Was ist denn nur los mit Ihnen? Haben Sie getrunken?“
„Nein.“ Wieder ließ er den verstörten Preuß stehen und eilte die Treppe hinunter. Preuß platzte der Kragen. Mit dröhnender Stimme fuhr er ihn vom Treppenabsatz aus an:
„Sie bleiben jetzt sofort stehen und sagen mir, was los ist!“
„Ich kann nicht. Ich muss sie zuerst finden! Bitte!“ Benthin sah ihn mit einem flehenden Blick an, verschwand dann durch die Haustür und sprang in die Kutsche.
„Herr von Benthin, warten Sie.“ Martha war die Szene ebenfalls nicht entgangen. Als sie Benthin verzweifelt nach Elli rufen hörte, hatte sie vorsichtig den Kopf aus der Küche gesteckt. Da sie mitbekommen hatte, wie zornig der Professor war, entschied sie sich, heimlich mit Benthin zu sprechen. Sie war durch den Hintereingang rasch nach draußen gehuscht und hatte sich so hinter die Kutsche gestellt, dass man sie vom Haus aus nicht ohne weiteres sehen konnte.
„Was wollen Sie? Ich muss los!“ Benthin meinte, keine Zeit zu haben, sich die Kommentare der Köchin nun auch noch anzuhören und machte eine abwehrende Geste. Was sie nun sagte, ließ ihn allerdings aufhorchen:
„Ich weiß, wo Elli ist.“
„Aber woher…?“
„Ellis Eltern dürfen nicht wissen, dass ich Bescheid weiß. Bitte nehmen Sie mich bis zur nächsten Abzweigung in der Kutsche mit, damit sie im Haus nichts von unserem Gespräch mitbekommen. Ich riskiere sonst womöglich meine Anstellung.“
„Steigen Sie ein.“ Benthin war bereit, alles zu tun, was sie vorschlug, nur um endlich Gewissheit zu haben, wo Elli sich aufhielt. Er forderte Paulsen auf, bis zur nächsten Ecke zu fahren und wandte sich wieder Martha zu: „Was genau wissen Sie?“
„Genug, um zu verstehen, warum sie weggegangen ist.“
„Auch, dass sie mit einem anderen…?“
„Auch das. Und Sie können mir glauben, sie würde das liebend gerne rückgängig machen, wenn sie nur könnte.“ Er atmete kurz auf:
„Dann ist sie nicht bei ihm?“ Es war an der Zeit, klare Worte zu sprechen - Marthas Spezialität:
„Um Himmels Willen - nein! Wie kommen Sie nur darauf? Sie liebt diesen Kerl doch gar nicht. Man muss es wohl ihrem jugendlichen Leichtsinn zuschreiben, dass sie sich auf ihn eingelassen hat. So ganz ohne Fehler scheinen Sie mir ja auch nicht zu
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