Seine junge Geliebte
leergegessenen Teller von sich. »Wenn eine ältere Frau zum Beispiel ihr Gesicht straffen lassen will, weil ihr Mann sie betrügt, dann würde ich es nicht tun.«
»Und warum nicht?« Heidmann schaute Bruckner an, als zweifle er an dessen Verstand. »Wenn der Mann eine jüngere Frau haben will …«
»Dann nimmt er sich auch eine jüngere. Er wird niemals zu der älteren zurückkehren, wie jung sie auch aussehen mag. Liebe ist ja nicht von der Anzahl der Falten abhängig, die man im Gesicht oder sonstwo hat. Es gibt viele Frauen, die viel Geld für solche kosmetische Operationen ausgeben, und die sich dann erhoffen, den Mann an sich zu binden. Das geht immer schief. Hier –«, Dr. Bruckner nahm das Schälchen mit Roter Grütze entgegen, das ihm die Bedienerin Maria hinstellte, »liegt vielleicht ein Grenzfall vor. Das meinte jedenfalls der Psychiater. Herr Sartorius hat ihm gegenüber nicht zugegeben, daß er sich für eine jüngere Frau verschönern lassen will. Er hat ihm gesagt, er muß in seinem Beruf jünger aussehen, damit er Erfolg hat.«
»Und Sie glauben das nicht?«
Dr. Bruckner begann seine Grütze zu löffeln. »Ich glaube es ihm auch nur bedingt. Der ursprüngliche Grund ist sicherlich der gewesen, neben seiner jungen Freundin nicht gerade wie der Vater oder gar der Großvater auszusehen. Er läßt sich ja nicht operieren, weil sie ihm fortläuft.«
»Er weiß es noch nicht, daß sie es tut!« meinte Johann Heidmann. Seine Worte klangen so bitter, daß Dr. Bruckner lächelnd den Kopf schüttelte und mahnend den Finger hob.
»Sie sollen doch nicht mehr an diese Pariser Affäre denken. Doch weiter im Text.« Er schob den leergegessenen Glasteller von sich und lehnte sich zurück. »Herr Sartorius läßt sich primär für seine Freundin operieren, um ihr zu gefallen. Aber sein jüngeres Gesicht wird ihm sicherlich in seinem Beruf nützen …«
»Als Journalist braucht er doch nicht schön auszusehen«, wunderte sich Dr. Heidmann.
»Ich habe ihn auch nicht schöner gemacht, ich habe nur die Spuren des vorzeitigen Alterns entfernt. Der Mann sieht viel älter aus, als er ist. Er gehört zu jenen Typen, von denen Professor Bergmann sagen würde, daß sie nie so alt werden, wie sie aussehen.«
»Einen Kaffee?« Maria stand am Tisch. Auf einem Tablett trug sie zwei Tassen, die mit heißem Kaffee gefüllt waren.
»Sehr gern! Die Operationen haben uns doch ziemlich geschlaucht.«
»Zucker oder Sacharin?« Die alte Bedienerin schob zwei Schälchen hin.
»Ich nehme Sacharin!« Dr. Bruckner griff nach einem der kleinen Würfel, ließ ihn in den Kaffee fallen, in dem er sich sprudelnd auflöste, »ich muß auf meinen Körper achten.«
»In Ihrem Alter können Sie sich aber bereits eine gewisse Fülle leisten«, scherzte Maria. »Aber Sie haben es doch nicht nötig. Sie sind schlank wie eine Gerte. Da brauchen Sie doch nicht auf Ihre Linie zu achten.«
Dr. Bruckner griff nach einem Löffel. Er rührte den Kaffee um, trank einen kleinen Schluck und sah die alte Maria über den oberen Rand seiner Tasse lächelnd an. »Wenn ich nicht so aufpassen würde, wäre ich nicht mehr schlank. Ich stelle mich jede Woche einmal auf die Waage. Sobald ich etwas zugenommen habe, esse ich in der kommenden Woche etwas weniger. Auf diese Weise halte ich mein Gewicht. Das ist einfacher, als dick zu werden und dann abnehmen zu wollen. Das geht meistens schief.«
»Im übrigen darf man ja jetzt wieder etwas dicker sein«, steuerte Dr. Heidmann bei. »Ich habe es neulich in einer unserer medizinischen Zeitschriften gelesen.«
»Ja, die Statistiker! Der alte Churchill soll einmal gesagt haben, daß er nur einer einzigen Art von Statistiken glaubt.« Dr. Bruckner setzte seine Kaffeetasse an und trank sie leer. Er hielt die leere Tasse Maria hin und fragte: »Kann ich noch eine haben?«
»Aber selbstverständlich!« Maria verschwand in der Küche, kam mit einer gefüllten Kanne zurück und füllte Dr. Heidmanns und Dr. Bruckners Tasse. »Und welche Statistiken sind das?« wollte sie wissen.
»Die, die er selbst gefälscht hat, wie er sagte«, erklärte Thomas Bruckner lachend.
Die Metro hielt an der Station Porte Maillot. »Wir müssen aussteigen.«
Axel nahm die Koffer, Bärbel öffnete die Tür. Sie folgte ihm durch einen langen Korridor. »Wir können fast bis an die Tür des Hotels unterirdisch laufen«, erklärte der pariskundige Axel.
»Du kennst dich ja gut hier aus!«
Er nickte. »Hier steige ich immer aus, wenn
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