Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Richtige zu sein.« Sie schweigt und sieht weg.
Sofort schwindet meine Hoffnung. Bernard hat also seine Stelle verloren. Natürlich. Darum geht es also: Geld.
»War das ein guter Job?«, frage ich beiläufig.
»Ja, nun, es war eine feste Stelle. Bei einer Baufirma, aber er wird langsam älter, und sie sind immer darauf aus, die Gewerkschaftsmitglieder loszuwerden, bevor sie der Pensionsgrenze zu nah kommen.« Sie schüttelt den Kopf, versinkt für einen Moment in ihren eigenen Problemen. »Als Mary immer kränker wurde und Bernard dann auch noch mit der Nachricht nach Hause kam, da wurde mir das alles zu viel, aber als sie dann gestorben ist und ich ihm von der Sache mit dem Baby erzählt habe, da sagte er, das sei kein Zufall, dass der Herr Mary zu sich geholt hat, damit sie uns von dem Baby erzählt. Er ist dann ins Internet gegangen und hat all diese Dinge über sie herausgefunden – dass Sie das Baby Beth genannt haben, dass Sie eine Schriftstellerin sind und Ihr Mann in dieser Fernsehsendung auftritt.«
Sie hebt ihre Kaffeetasse an. Plötzlich passt alles zusammen. Sie ist nur hier, weil Art mit Die Verhandlung zu tun hat. Die Serie – Reality-TV irgendwo zwischen Dragon’s Den und The Apprentice – wurde Anfang des Jahres über vier Wochen ausgestrahlt; Art war einer von drei Podiumsgästen. In aller Munde ist sein Name deswegen allerdings nicht. Und außer ein- oder zweimal während der Wochen, in denen die Sendung lief, hat ihn niemand auf der Straße erkannt. In Geschäftskreisen hat er allerdings deutlich an Ansehen gewonnen. Außerdem hat er sich eine kleine, aber sehr anhängliche Schar weiblicher Bewunderer erworben. Eine Internetrecherche über Art würde schnell ergeben, dass er erfolgreich und wohlhabend ist – während ich zunächst als seine Ehefrau und Mutter seiner tot geborenen Tochter auftauchen würde, erst dann als Schriftstellerin, und zwar als eine, die seit acht Jahren kein Buch mehr zustande gebracht hat.
Lucy stellt die Tasse wieder ab. Sie klappert auf der Untertasse. »Es war also nicht schwierig, Sie zu finden, Mrs. Loxley. Und … du meine Güte, Bernard und ich wussten natürlich, was für ein Schock das für sie sein würde, aber wir hofften, wenn wir hierherkommen …«
»Wir?« Ich blicke mich um. Der junge Kellner ist der einzige Mann im Café. »Ist Bernard denn auch hier?«
»Er wartet draußen im Wagen auf mich.« Lucy scheint das peinlich zu sein. Sie schiebt einen kleinen Zettel mit einer sorgfältig notierten Handynummer über den Tisch. »Wir wollten Ihnen nicht zu nahe treten. Unter dieser Nummer können Sie mich erreichen, wenn Sie Zeit hatten, über das nachzudenken, was ich Ihnen erzählt habe.«
Während ich den Zettel nehme und in meine Manteltasche schiebe, wird mir die ganze Situation erst richtig bewusst: Ein Paar mit einer undeutlichen Verbindung zu der Klinik, in der ich mein Kind verloren habe, sieht die Chance, aus meiner Trauer Profit zu schlagen, indem es mir falsche Informationen verkauft. Das ist so grausam, dass mir fast schwarz vor Augen wird, und nun, da die schreckliche Hoffnung zerstört ist, begreife ich, wie sehr ich tief im Innern gehofft habe, dass Beth tatsächlich am Leben ist.
Diese Hoffnung ist natürlich das Gefühl, auf das Lucy und Bernard gebaut haben. In wenigen Sekunden wandelt sich mein Schmerz in Demütigung, und meine Demütigung wird zur Wut.
»Und? Wie viel verlangen Sie?«, belle ich.
Lucy blickt mich entsetzt an. »Wir haben das doch nicht deswegen … so ist das nicht …«
Himmel, sie sind noch nicht einmal gute Erpresser.
»Haben Sie denn noch etwas anderes zu verkaufen außer dem Geständnis Ihrer Schwester auf dem Sterbebett?«
Lucy legt die Stirn in Falten. »Ich verstehe nicht.«
Ich lehne mich vor und speie ihr die Worte ins Gesicht. »Haben Sie mir sonst noch etwas zu sagen?« Eine Antwort erwarte ich nicht.
Sie beißt sich auf die Lippe. Zögert.
Sie hat also noch etwas zurückgehalten, irgendein anderes Druckmittel. Ich mache mich darauf gefasst. »Sie wollen erst Geld sehen? Ist es das?« Ich bin nun am Kochen, balle die Fäuste und kann die Wut kaum im Zaum halten, die in mir tobt.
»Nein, Mrs. Loxley, es ist nur, dass es mir sehr schwerfällt, Ihnen diese letzte Sache zu erzählen …« Sie bricht ab.
»Schwerer als mir zu erzählen, dass die Totgeburt meiner Tochter Betrug war? Dass ein angesehener Arzt dafür riskiert hat, ins Gefängnis zu kommen?«
Einige Mütter schielen von der anderen
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