Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Zeit. Zeit. Gen …«
»Gen.«
Ich wache auf, weiß nicht, wo ich bin. Art drückt mir sanft den Arm. Draußen dämmert es schon, und ich liege auf dem Bett, nur von einem Handtuch bedeckt … Kalt.
»Alles in Ordnung?« Im Zwielicht wirken seine Augen besonders zärtlich. Er sitzt neben mir auf dem Bett.
Ich ziehe am Handtuch, bis es meine Schultern bedeckt. Ich weiß nicht einmal, wie ich von der Wanne ins Bett gekommen bin. Ich sehe ihm ins Gesicht, und mir ist klar, wie abwegig es war, dass ich mir von einer Fremden auch nur für eine Sekunde Zweifel an ihm habe einreden lassen.
»Du musst müde sein«, murmele ich. »Wie spät ist es?«
»Fast sieben.« Er verzieht das Gesicht. »Ich hatte den ganzen Tag keine Minute Ruhe, und der Flieger war auch proppevoll.« Nach einer Weile beugt er sich über mich und streift mit den Lippen meine Stirn. »Aber um dich mache ich mir Sorgen«, flüstert er. »Wie geht es dir jetzt?«
Ich streichle sein Gesicht, fahre mit dem Finger die Fältchen um seine Augen nach. Vor einem Jahr waren sie noch nicht da. Art wird älter. Genau wie ich. Nichts ist stärker als eine durch gemeinsame Zeit und gemeinsames Leid geprüfte Beziehung.
»Das heute Morgen tut mir leid, Art. Diese Frau hat mir wirklich einen Schrecken eingejagt.«
»Ich weiß.« Art stopft das Handtuch um mich fest, weil ich fröstle. »Ich habe bei Vaizey angerufen. Er wollte nicht mit mir reden, aber ich habe eine Nachricht hinterlassen.« Er überlegt kurz. »Der Bastard.«
Ich runzele die Stirn.
»Keine Sorge, ich habe ihm nicht gedroht, aber dafür deutlich gemacht, dass er gleich aufgeben kann, falls er einen Keil zwischen uns beide treiben will. Weil das nämlich nicht funktionieren wird.«
»Genau.« Ich drücke seine Hand. »Und wie ist es mit deiner Besprechung gelaufen?«
»Prima.« Er grinst. »Hey, willst du etwas Fabelhaftes hören?«
Ich setze mich auf. »Was?«
» Zwei Sachen, genau genommen.« Er lacht. »Zähl mit. Erstens, die Verhandlungen sind gut gelaufen heute. Verdammt gut. Der Kunde hat mehr oder weniger deutlich durchblicken lassen, dass wir den Auftrag bekommen.«
»Fantastisch.« Ich lächle und versuche so auszusehen, als wisse ich, um welchen Kunden es sich handelt. Diese Sache war mir komplett entgangen. Ich weiß nur, dass die Firma ihren Sitz in Brüssel hat. Um ehrlich zu sein – seit Arts Auftritt in Die Verhandlung hat es mehr Abschlüsse gegeben, als man auseinanderhalten kann.
»Das zweite Fabelhafte, das sich heute ereignet hat, ist die Frau, mit der ich in Brüssel war, Sandrine – sie sitzt in einem Beratungsgremium in Nummer zehn.« Er schöpft kurz Atem. » Downing Street Nummer zehn, Gen. Du weißt doch, sie hatte gesagt, sie wolle mit mir über ein ›Programm‹ sprechen? Nun, offenbar hat mich auch der Premierminister im Fernsehen gesehen, und jetzt möchte er mich im selben Gremium haben, in dem auch sie sitzt. Und das ist nicht bloß Kasperltheater. Sandrine hat mir da so einiges erzählt. Sie meint, der PM sei wirklich beeindruckt von mir, möchte mich mit dabeihaben, im inneren Kreis, also ganz oben, wo die großen Dinger gedreht werden. Bei den wöchentlichen Sitzungen ist der Premier immer dabei. Ich, er, sie und drei andere Personen, Maximum. Stell dir vor, Gen. Ich in einer Sitzung mit dem leibhaftigen Premier! Ab morgen!« Er wirft das Jackett mit großer Geste von sich.
»Das ist großartig«, sage ich.
»Das ist es in der Tat, verdammt noch mal.« Art lacht. Er lehnt sich zurück und löst seine Krawatte. »Und das Allerbeste ist der Einfluss, den ich auf die Entscheidungen habe. Verstehst du, Gen? Sie werden auf mich hören, weil meine Firma so schnell gewachsen ist – gegen den Trend –, und weil ich mich dabei an die Regeln gehalten habe. Alles ist sozialverträglich und nachhaltig … Die bewundern meine moralische Integrität und möchten daran teilhaben.« Er strahlt mich an. »Das ist so viel mehr als die Firma, so viel größer als Loxley Benson; es ist, als ob auf einmal alles möglich ist: Ich kann bei politischen Entscheidungen mitwirken, du wirst vielleicht wieder schwanger werden … Hey, vielleicht sollten wir das feiern und diese Recycling-Skulptur von Being Green kaufen, die dir so gefallen hat?
Ich starre ihn ungläubig an. »Die hat fast 50 000 gekostet.«
Das Bild der Überweisung von 50 000 Pfund an MDO auf dem Kontoauszug kommt mir wieder in den Sinn. Mein Herz pocht, mein Verstand ist plötzlich wach und arbeitet
Weitere Kostenlose Bücher