Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
Vom Netzwerk:
ihm sah, glaubte sie deshalb, sich bei ihm sicher fühlen zu können: Die Sally, die ich kannte, war viel zu unerschrocken, als dass sie auf irgendwelche Ritter in glänzender Rüstung hereingefallen wäre. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Versuch, die Lücken zu füllen, wohl wissend, wie sinnlos das ist. Wer war der Anrufer, mit dem William so wütend gestritten hat, als ich mich von ihm wegschlich?
    Ich beschließe, dass ein doppelter Macchiato mir in die reale Welt zurückhelfen könnte, zumal ihn mir der höchst attraktive australische Barista in dem trendigen Café serviert, das gleich um die Ecke zu meiner Arbeitsstelle liegt.
    »Alles okay?«, fragt er. »Sie wissen ja, es gibt nichts auf der Welt, was ein Brownie nicht wieder einrenken kann.«
    »Da haben Sie recht«, entgegne ich und breche prompt in Tränen aus, weil es so offensichtlich unwahr ist.
    »Hey«, sagt er und reicht mir einen Packen Papierservietten, »Sie stehen wohl unter Schock?«
    »Ja«, antworte ich und tupfe dankbar mein Gesicht trocken. »Danke«, füge ich hinzu und lächele ihn vor lauter Dankbarkeit über seine Freundlichkeit ein wenig zu intensiv an. Wenn unser Halt im Leben so schwach ist, wie ich das jetzt erfahren habe, dann bleibt uns nur das: jeden Moment so intensiv wie möglich zu leben.
    »Guten Morgen«, begrüßt Mungo mich fröhlich und schiebt heimlich ein Exemplar des New Yorker unter einen Aktenstapel.
    Ich bin sogar erleichtert, dass ich mich ärgere. Offenbar war meine spirituelle Erleuchtung doch nur vorübergehend.
    »Hi. Haben Sie die Notizen von dieser Chefsitzung abgetippt?«
    »Die kriegen Sie schneller, als Sie denken«, erwidert er und kreiselt auf seinem Stuhl wieder zurück vor seinen Bildschirm, als würde ich ihn drangsalieren.
    Mit rollenden Augen wende ich mich an Rosie, meine freundliche, mütterliche Kollegin, die den Arbeitsplatz neben mir hat.
    »Tasse Tee?«, signalisiert sie mir, und ich hebe zur Antwort meinen Kaffee hoch. »Komm«, bedeutet sie mir lautlos, und ich schleiche mich mit Blick auf Marys unbesetzten Schreibtisch in die Küche. Man kann nur hoffen, dass sie ein langes persönliches Gespräch führt und ihren Platz nicht nur für ihre äußerst effektive 15-Sekunden-Pinkelpause verlassen hat.
    »Du Arme, das muss schrecklich gewesen sein«, sagt sie und umarmt mich. Ich habe mir große Mühe gegeben, wieder in den Arbeitsmodus zurückzufinden, doch für eine Sekunde erlaube ich mir, mich gehenzulassen.
    »Ich kann dir gar nicht sagen wie …«, sage ich.
    »Wenigstens hast du es nun hinter dir«, wirft sie rasch ein. »Ich weiß, wie groß deine Angst davor war.« Sie begleitet ihre Worte mit einem großen offenherzigen Lächeln, die Hände in den Taschen ihres weiten Kleiderrocks, und ich fühle mich, wie sich ihr dreijähriger Sohn Alfie fühlen muss, wenn er von der Rutschbahn gefallen ist und sie ihn zu überreden versucht, tapfer zu sein.
    »Ich habe aber nicht das Gefühl, es hinter mir zu haben …« Nein, ganz und gar nicht, der Gedanke an Sallys Tod verfolgt mich auf Schritt und Tritt.
    »Es ist der Schock«, sagt sie und streichelt meinen Arm. »Was nun, willst du einen Muntermacher oder einen Kräutertee?«
    Ich überlege mir, ob ich versuchen sollte, es ihr zu erklären, aber ich kann das, was in mir gärt, all die unbeantworteten Fragen, die der gestrige Tag aufgeworfen hat, unmöglich ordnen. Außerdem kennt sie Sallys und meine finstere Geschichte nicht – sie denkt, sie sei nichts weiter als eine alte Studienkollegin, zu der ich den Kontakt verloren habe –, und ich will die alten Wunden nicht wieder aufreißen.
    »Auf jeden Fall den Muntermacher.« Sie lächelt freundlich und ist erleichtert, dass ich mich der britischsten Form des Trostes öffne, während sie heißes Wasser in unsere Tassen gießt. Es knistert und dampft beim Eingießen. »Wie geht es Alfie?«, frage ich, entschlossen, den Weg zurück in die Normalität anzutreten.
    »Er ist wütend, weil die Tagesmutter ein neues kleines Mädchen angenommen hat. Gestern hat er versucht, ihm eine ockerfarbene Wachsmalkreide in den Hintern zu schieben.«
    In diesem Moment taucht Honey auf, Marys spindeldürre Assistentin, die als Alexa-Chung-Double antreten könnte.
    »Da sind Sie ja!«, sagt sie tadelnd und wirft einen abschätzigen Blick auf die zugelegten Pfunde, die Rosie nach Alfie nicht wieder abgenommen hat. »Mary hat ein Blitztreffen einberufen. Sie sollen sich sofort im Sitzungsaal einfinden.«
    Wir

Weitere Kostenlose Bücher