Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
an und suche jede Falte und Kante seines Gesichts ab, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Als ich hier angefangen habe, hätte ich wirklich alles darum gegeben, diese Worte von ihm zu hören. Als wäre man gleichzeitig Superstar und Supermodel geworden. Ich darf nicht zulassen, dass er seinen Glauben an mich verliert, ich muss mich ihm würdig erweisen.
»Wir brauchen diese Auszeichnung«, fährt er fort. »Damit wäre auf einen Schlag alles anders für uns, und wir stünden nicht mehr unter diesem Druck, und ich müsste auch keine hirnrissigen Vorschläge mehr von Leuten annehmen, die von der Gastronomie keinen blassen Schimmer haben.«
Ich bereue es schon jetzt, zugelassen zu haben, dass Milly hier mitzumischen versucht. Ich hätte mich beiden entschiedener widersetzen sollen, sie besser schützen müssen.
»War es so schlimm?«
»Sie ist ein reizendes Mädchen, ein echtes Juwel, aber da fragt sie mich, ob ich nicht mehr Kellner bräuchte? Glaubt sie wirklich, ich kann das nicht allein einschätzen?«
Ich verkneife es mir, ihn darauf hinzuweisen, dass der Mittagsservice fast einem Gefängnisaufstand gleichkam.
»Du musst Marsha absagen«, sagt Oscar und wartet auf meine Antwort.
»Okay«, willige ich zögernd ein.
Es ist ein direkter Befehl, was bleibt mir also anderes übrig? Es ist das wichtigste Ereignis im kurzen Leben von Ghusto, und ich muss alles dransetzen, damit es von Triumph gekrönt wird. Das sagt mein Kopf, mein Körper sagt etwas anderes. »Ich habe nur die Anweisungen befolgt«, hat sich bereits als eine unhaltbare Verteidigungsstrategie erwiesen. Ich bringe Marsha um ihre Traumparty und enttäusche sie bei der einen Sache, um die sie mich gebeten hat. Es wird mir nicht einmal möglich sein, daran teilzunehmen, egal was für einen kläglichen Versuch einer Feier mit warmem Chardonnay sie auf die Beine stellt. Wenn sie hier stattfinden würde, könnte ich wenigstens mal reinschauen. Ich werde das Schwert gegen mich richten und die Brautjungfernpflichten jemandem übertragen müssen, der sie tatsächlich verdient.
»Ich erledige das jetzt gleich«, teile ich Oscar mit. Sie muss es so rechtzeitig wie möglich erfahren, außerdem brauche ich eine Auszeit.
»Braves Mädchen«, sagt er. »Ich werde der Truppe die guten Nachrichten mitteilen.«
Ich gehe nicht hinaus auf den Hof, der ist zu sehr von Geistern heimgesucht, als würden sich noch Spuren von Dom und mir auf dieser unbequemen Bank den Hintern abfrieren. Stattdessen gehe ich vors Restaurant, wo ein paar neugierige Passanten die Speisekarte studieren und durchs Schaufenster ins opulente Innere starren. Als ein schnöseliger Typ (die Haare wie zu einer Haube aufgetürmt, eine Brille wie zwei Aquarien) angesichts des vielfältigen Angebots an Innereien angewidert das Gesicht verzieht, juckt es mich in den Fingern, zu ihm zu gehen und an ihm mein Mütchen zu kühlen. Dieser Ignorant. Er ahnt nicht, dass die Nierchen seine Geschmacksknospen kitzeln und seinen Gaumen reizen würden wie nichts, was er jemals gegessen hat, und dass das Blut in der Eiscreme diesem eine unbeschreibliche Würze verleiht. Und genau aus diesem Grund, überlege ich und schaue dabei entschlossen auf mein Telefon, braucht Oscars Brillanz ein größeres Publikum. Und er hat mit so vielen Widrigkeiten zu kämpfen, dass ich ihm nicht auch noch das Leben schwermachen darf.
Marsha geht nicht an ihr Mobiltelefon, und ich hätte fast den Schwanz eingezogen, doch ich weiß, dass ich zuschlagen muss, solange das Eisen nicht gerade heiß, aber wenigstens noch lauwarm ist. Lieber wäre mir, ich müsste es nicht tun. Ich wähle ihre Nummer in der Arbeit, und sie ist sofort dran.
»Marsha Thorogood«, meldet sie sich knapp und geschäftsmäßig.
»Marsha, hier ist Amber.«
»Hallo, Amber«, sagt sie, und ihr Tonfall wird sofort wärmer. Vermutlich ist sie wegen unserer Auseinandersetzung noch befangen und fragt sich, ob sie nicht zu weit gegangen ist. Ich kann nur hoffen, dass sie mich gut genug kennt, um hinter meinem Anschlag auf sie keinen Racheakt zu vermuten.
»Hi«, sage ich. Ich kann unmöglich mit der Tür ins Haus fallen.
»Ich bin so froh, dass du anrufst!«, sagt sie. »Ich habe Karten für eine Privatführung in der neuen Galerie in Camberwell, wo Wandteppiche der Inuit gezeigt werden, und ich hoffte, du hättest Zeit mitzukommen. Es gibt dort ein neues vegetarisches Restaurant, in das wir anschließend gehen könnten.« Und sie ergänzt liebevoll: »Ich lade
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