Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
in einem Stuhl bequem.
»Was ist das denn?«, fragt sie, als ihre hohen glänzenden schwarzen Stilettos knirschend Glassplitter in die Dielenbretter bohren. Bestimmt hat sie vor Verlassen des Hauses Die Waffen der Frauen als Endlosschleife angeschaut.
»Äh, ein … ein Wasserglas ist zu Bruch gegangen.« Noch mehr Lügen denen gegenüber, die ich liebe. O diese Lügen. »Vielleicht wäre es besser, wenn wir einen anderen Tag vereinbaren? Womöglich bleibt er ewig bei Lydia.«
»Er hätte mir doch bestimmt eine Nachricht zukommen lassen, wenn er nicht kommt?«
»Ja, vielleicht …«
»Ich warte noch zwanzig Minuten«, sagt sie verbohrt. »Ich finde, wir sollten wirklich loslegen.« Es folgt eine peinliche Pause. Womit denn loslegen? »Man weiß nie, vielleicht ist er froh um diese Ablenkung.«
»O, okay. Nun, ich muss dich jetzt allein lassen.« Da mir klar ist, dass Oscar niemals einen Investor allein in seine Höhle lassen würde, wo man freien Zugriff auf sämtliche Akten hat, überlege ich mir, wo ich sie hinbringe. Milly fiele es nicht im Traum ein herumzuschnüffeln, aber das weiß er nicht. »Mir fällt gerade ein, du könntest auch mit hochkommen, und ich bringe dir was zu trinken.« Das ist das Mindeste, was ich ihr anbieten sollte. »Oder eine Tasse Tee.«
Milly stöckelt hinter mir die Treppe hoch, und wir kommen in dem Moment oben an, als Oscar durch die Eingangstür stürmt.
»Fünf Minuten, Fischmädchen«, sagt er und deutet mit dem Daumen auf die Treppe, ehe er Milly wahrnimmt. »Ach hallo«, sagt er, und an seiner Schläfe pulst nur für mich sichtbar ein Nerv. »Wenn das nicht meine nette Verabredung zum Mittagessen ist. Es wird dich freuen zu hören, dass wir den besten Tisch des Hauses bekommen.« Immer ganz Gentleman tritt er einen Schritt beiseite, und Milly strahlt entzückt.
Ich beobachte die beiden, und weil ich dabei an den Zeitungsartikel denken muss, frage ich mich, ob ich mich bedroht fühlen sollte, aber ich bin mir relativ sicher, dass Oscars Charme auf seinem Selbstvertrauen fußt und nicht auf Lüsternheit. Er weiß einfach, dass er gut aussieht, darüber braucht er nicht einmal nachzudenken, denn den Beweis sieht er in jeder Schöpfkelle und Schaufensterscheibe. Das Wissen, dass sein gutes Aussehen ihm alles erleichtert, erlaubt ihm zu schweben. Ich gebe meiner linken Satteltasche einen verstohlenen Klaps in der Hoffnung, dass sie sich langsam zurückzieht, doch den Gefallen tut sie mir nicht. Egal, was er sagt, manchmal wird er mich sicherlich mit Lydia vergleichen, und dann wird ihm auffallen, dass ich beileibe nicht so glatt verpackt bin wie sie. Sie waren ein glanzvolles Paar und sind es noch immer, wenn sie zusammen auftreten.
Ich versuche meinen Blick abzuwenden, kann aber nicht umhin, das Leuchten in Millys Augen zu bemerken, jetzt, da ihr neues Kapitel begonnen hat. Und dank der echten Begeisterung, die sie ausstrahlt, fühle ich mich gleich nicht mehr wie ein mürrischer Griesgram. Sie hat sich wirklich vorgenommen, etwas zu erreichen. Vielleicht hat das ja doch was Gutes, vielleicht gelingt es Oscar, sie mit seinem Charme davon zu überzeugen, dass sie einen unschätzbaren Beitrag leistet und nicht auf andere hören soll, und auch, ihr später einen anständigen Gewinn auszuzahlen. Auf diese Weise profitieren beide Seiten.
Nimmt man allerdings den heutigen Tag zum Maßstab, würde man dem keinen Glauben schenken. Johnny hat einen Kellnerneuling hinter den Tresen gestellt, der natürlich im Restaurant fehlt, und so kommt es, dass einige Getränkebestellungen verwechselt und falsch serviert werden. Bei einem neugierigen Blick durch die Tür sehe ich, wie Milly ihre Blicke durch den Raum schweifen lässt, während Oscar ihre Aufmerksamkeit nach vorne zu lenken versucht. Und mich beschleicht wieder leise Angst. Sie mag zwar schusselig sein, aber deshalb ist sie noch lange keine schlechte Beobachterin.
Bevor Milly geht, kommt sie in die Küche, eine völlig unpassende Erscheinung in ihrem rosa Tweedkostüm. »Bye, meine Liebe«, sagt sie und wirft sich mir an den Hals. »Das Mittagessen war einfach köstlich.«
»Schön«, sage ich, »freut mich.« Ich wische meine fettigen Pfoten an meinen Kochklamotten ab und halte bereits Ausschau nach der nächsten Katastrophe. »Ich bin dann mal weg«, sagt Milly. »Kommst du nach Hause?«
Ein paar Leute, vor allem Joe, beobachten uns, und mir wird plötzlich klar, wie gefährlich das ist. Oder auch nicht, sofern Lydia ohnehin
Weitere Kostenlose Bücher