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geschickt.«
»Was?« Ich schlug die Hand vor den Mund vor Schreck.
»Wir sind ganz sicher, dass Sie sein Lieblingsmädchen sind, Miss. Das sagen alle«, seufzte Lucy schwärmerisch.
»Das muss ein Missverständnis sein«, sagte ich. Anne zuckte unbekümmert die Achseln und lächelte. Meine Meinung schien sie nicht zu interessieren.
Dann fiel mir wieder ein, wie das Gespräch begonnen hatte. »Und was hat das alles mit meinem Kleid zu tun?«
Mary trat zu Anne und zog den Kleidersack auf. Behutsam entfernten sie ihn, und zum Vorschein kam ein umwerfendes rotes Kleid. Es schimmerte im Abendlicht, das durchs Fenster fiel.
»Meine Güte, Anne«, sagte ich staunend. »Sie haben sich wirklich selbst übertroffen.«
Sie nickte bescheiden. »Danke, Miss. Aber wir haben alle drei daran gearbeitet.«
»Es ist wunderschön. Den Zusammenhang sehe ich allerdings trotzdem noch nicht.«
»Ich sagte ja schon, dass viele Leute im Palast Sie für die Favoritin des Prinzen halten«, erklärte Anne. »Er äußert sich sehr positiv über Sie und zieht Ihre Gesellschaft der anderer Mädchen vor. Das scheint auch den anderen Erwählten aufgefallen zu sein.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Wir arbeiten an den Kleidern meist in einer großen Werkstatt. Es gibt dort ein Stofflager und einen Raum, in dem Schuhe hergestellt werden. Die anderen Zofen sind auch dort. Für heute Abend haben alle ein blaues Kleid bestellt. Es herrscht die Meinung vor, dass die anderen Sie nachahmen wollen, weil Sie das blaue Kleid fast täglich tragen.«
»Und Lady Tuesday und Lady Natalie haben heute ganz wenig Schmuck angelegt«, warf Lucy ein. »So wie Sie.«
»Außerdem haben alle schlichtere Kleider bestellt, in dem Stil, den Sie gut finden«, ergänzte Mary.
»Aber das erklärt nicht, weshalb Sie mir nun ein rotes Kleid genäht haben«, wandte ich ein.
»Damit Sie auffallen natürlich«, antwortete Mary. »Oh, Lady America, wenn er Sie wirklich mag, dann müssen Sie aus der Masse herausragen. Sie waren so großherzig mit uns, vor allem mit Lucy.« Wir schauten alle Lucy an, die bekräftigend nickte. »Sie?… Sie sind so beeindruckend. Sie wären eine gute Prinzessin.«
Ich überlegte, wie ich ungeschoren davonkommen könnte und nicht im Mittelpunkt stehen müsste.
»Aber wenn die anderen recht haben?«, sagte ich. »Wenn Maxon mich tatsächlich deshalb mag, weil ich nicht so aufgetakelt bin? Dann ruiniert ihr doch alles, wenn ihr mich in so was Pompöses steckt!«
»Ab und an muss jedes Mädchen glamourös sein. Und wir kennen Maxon schon fast sein ganzes Leben lang. Er wird dieses Kleid lieben «, sagte Anne so überzeugt, dass mir kein Einwand mehr einfiel.
Ich wusste nicht, wie ich meinen Zofen erklären sollte, dass der Prinz und ich nur gute Freunde waren. Das brachte ich einfach nicht übers Herz. Überdies musste ich den Schein wahren, wenn ich hierbleiben wollte. Und das wollte und musste ich. Für meine Familie.
»Also gut. Ich probiere es an«, sagte ich mit einem Seufzer.
Lucy hopste förmlich auf und ab vor Aufregung, bis ich ihr zu verstehen gab, dass sich das nicht schickte. Ich ließ ihr Kunstwerk über meinen Kopf gleiten, und die drei legten letzte Hand an. Mary probierte aus, welche Frisur am besten mit dem Kleid harmonierte, und binnen einer halben Stunde war ich bereit zum Auftritt.
Für diese Sendung war das Set im Aufnahmestudio verändert worden: Die Königsfamilie saß auf der einen Seite, wir auf der anderen, wie beim letzten Mal. Doch die Bühne befand sich diesmal seitlich, und in der Mitte standen zwei Stühle mit hohen Lehnen. Auf einem lag ein Mikrofon für das Interview mit Gavril. Mir wurde schon beim bloßen Anblick flau im Magen.
Tatsächlich sah man überall schimmernde Kleider in Blautönen, einige in Grün, andere in Violettschattierungen. Als ich Celestes Blick sah, beschloss ich, mich möglichst lange von ihr fernzuhalten.
Kriss und Natalie, die gerade ihr Make-up noch einmal überprüft hatten, gingen an mir vorbei. Beide sahen unzufrieden aus, obwohl Natalies Miene immer schwer zu deuten war. Kriss’ Kleid hob sich zum Glück auch etwas von den anderen ab. Es war durchzogen von zarten weißen Streifen, die wie Wellen aus Eis wirkten.
»Du siehst umwerfend aus, America«, sagte sie, aber es klang eher wie ein Vorwurf als wie ein Kompliment.
»Danke. Dein Kleid ist auch fantastisch.«
Kriss strich über den Stoff, an dem es eigentlich nichts zu glätten gab. »Ja, mir gefällt es
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