Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
doch Hiendlmayr.«
»Sagen mir jetzt erst einfach mal nix.« Gelassen rollte sie ihren Stammbaum wieder zusammen, umwickelte ihn mit einem gelben Seidenband, drapierte dieses zur Schleife und seufzte verständnisvoll. »Es braucht halt seine Zeit, bis man eine solche Nachricht an sich herankommen lassen kann. Vor allem, weil ich mit meinen Informationen Ihr ganzes Leben auf den Kopf stelle, gell? Aber da müssen Sie durch, und Sie schaffen es auch.«
»Steh ich denn auch auf Ihrer Stammtafel? Dürft ich’s noch mal sehn?«, fragte Meinrad zuvorkommend und wusste, dass sie spätestens jetzt ihren Irrtum einsehen musste.
Bereitwillig entknotete sie das so sorgfältig gebundene Band und breitete ihre handskizzierte Stammtafel erneut vor ihm aus. »Normalerweise zeichnet man die ja wie einen Baum, aber ich kann nun mal nicht malen«, gestand sie und wies auf den eingerahmten Namen »Andreas Harbinger«. »Das da ist Ihr Vater. Sehn Sie, der hat auch g’heiratet, aber mit der Angelika Kalkhölzl hat er keine Kinder, und deshalb geht auch unterm Kasterl von Ihrem Vater kein Zweig ab auf die nächste Generation. Aber diese gestrichelte Linie da, die hab ich dann scho mal eingezeichnet, denn ein Kind hat er dann nämlich doch bekommen, und zwar mit Ihrer Mutter, der Hiendlmayr Beate. Sie sind ein kleiner Bankert. Was sagen S’ denn dazu?«
Jetzt war ihr Lächeln liebevoll. »Na ja, ein inzwischen ganz schön groß gewachsener kleiner Bankert! Mei, ich bin ja so froh, dass ich Sie g’funden hab und dass Sie ein durchaus seriöser Mensch sind.«
Aha, jetzt wusste er wenigstens, was ihre Kontrollblicke zu bedeuten hatten.
»Hier steht alles drin!«, behauptete sie nun und wies auf das braune Kuvert neben ihrer Kaffeetasse.
Meinrad Hiendlmayr schluckte und sah erneut hin. Plötzlich hatte er eine Familie. Da er aber auch unter dem Namen seines Vaters ein Todesdatum entdeckt hatte, war er im gleichen Moment auch schon wieder Vollwaise. Er fühlte sich noch einsamer als zuvor.
Als habe sie seine Gedanken lesen können, erklärte Martha Moosthenninger nun: »Die einzige lebende Blutsverwandte, die Sie noch ham, das ist die Brunner Malwine. Und deren Schwester Agnes« – hier legte Martha eine kleine andächtige Pause ein und richtete ihre Blicke himmelwärts –, »also die Agnes hat mir ausg’richtet, dass Sie die Malwine kennenlernen sollen und sich ihrer annehmen. Wenn Sie immer noch zweifeln, können wir auch gern einen DNA-Test machen. Heutzutag kann man ja alles nachweisen, auch so eine Verwandtschaft wie die Ihre. Vor allem jetzt, wo Ihre Tante noch lebt.«
Würdevoll reichte sie ihm den Umschlag. »Das ist die Bestätigung von dem Landauer Ahnenforscher Günther Hellmann. Der hat wirklich schnell und diskret gearbeitet, also den kann ich Ihnen nur empfehlen. Der hat die Harbinger-Sache für mich recherchiert und dabei geheime Aufzeichnungen gefunden, aus denen Ihre Abstammung klar und deutlich hervorgeht. Das können Sie hier alles nachlesen. Und damit lass ich Sie jetzt erst einmal allein.«
Anschließend war Martha Moosthenninger in ihr kleines schwarzes Auto gestiegen und davongefahren.
Den Kuchen hatte sie ihm dagelassen.
Es war kurz vor zwölf, als Franziska und Schmiedinger die Zufahrt zum Brunnerhof erreichten. Rot leuchteten die herbstlichen Blütenstände der Fetten Henne und die hübschen Früchte des Pfaffenhütchens. Ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch, dachte Franziska. An den blauen Himmel hatten die Kondensstreifen von Flugzeugen Striche hingetuscht, die wie geheimnisvolle Botschaften wirkten.
Adolf Schmiedinger räusperte sich und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die weiß lackierte Bank rechts von der gläsernen Eingangstür.
»Dort hat er gestern g’sessen, der Meinrad.«
»Jetzt sitzt da aber niemand mehr«, stellte Franziska klar. Schon als sie die Türen des Wagens zuschlugen, hörten sie das Bellen.
»Jessas, der Joschi!«, rief Adolf aufgeregt. »Er wird das arme Tier doch wohl ned eingesperrt haben, der Hundsbua, der damische! Mein Gott, das arme Viecherl.«
Franziska beruhigte ihn. »Aus dem Haus kommt das Gekläff definitiv nicht.« Sie stellte sich mitten auf den Hof und sah sich nach allen Seiten um. So viel war geschehen, seit sie das erste Mal hier oben auf dem Einödhof ermittelt hatte. Und nichts hatte sich zum Guten gewendet, auch wenn es immer hieß, alles habe einen tieferen Sinn und folge einer höheren Ordnung. Gleichmütig waren die Bäume
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