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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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verängstigt ganz hinten in der Untersuchungszelle. Das Essen stand unberührt auf einem Tablett auf der anderen Seite der Zelle. Sie war sicher, daß sie würde sterben müssen. Deshalb schloß sie die Augen und dankte ihrem Allah für jede Minute, in der sie noch nicht abgeholt wurde.
    In dieser Nacht versah ein geschäftiger Bursche aus Gausdal den Nachtdienst. Er war zweiunddreißig Jahre alt und hatte eine strahlende Zukunft bei Polizei und Anklagebehörden vor sich. Er studierte nebenbei Jura und schaffte das auch, trotz voller Stelle, Frau und zwei Kindern sowie neugebautem Einfamilienhaus. Ein Mann wie er schlief nicht im Dienst.
    Aber es wirkte verlockend. Er gähnte. Dieses irrsinnige Wetter hatte seiner Branche jede Menge Arbeit verpaßt, für die sie eigentlich gar nicht zuständig war. Aber wenn alle anderen versagen, wendet die Bevölkerung sich an die Polizei. Er hatte seine Truppen bei allem, von überschwemmten Kellern bis zu Menschen, die im Wasser in ihren Autos eingesperrt waren, eingesetzt. Vor einigen Stunden hatte der Regen etwas nachgelassen, und die Stadt schien endlich zur Ruhe zu kommen. Aber er würde nicht schlafen.
    Die Uniform wurde langsam ein bißchen eng. Seine Frau nannte das Wohlfühlzulage. Und damit konnte sie recht haben. Er fühlte sich verdammt wohl. Angenehmer Job, nette Familie. Keine finanziellen Probleme und freundliche Schwiegereltern. Ein Junge aus Gausdal konnte es wohl kaum besser treffen. Er lächelte vor sich hin. Dann drehte er eine Runde durch den Arrest.
    »Ach, auch mal wieder hier, Reidar«, begrüßte er einen alten Kunden mit vier Promille und ohne Zähne. Der Mann kam unsicher und taumelnd vor Wiedersehensfreude auf ihn zu.
    »Ach, bist du’s, Frogner, bist du’s wirklich!«
    Und dann kippte er um. Frogner lachte.
    »Ich glaube, du legst dich besser wieder hin, Reidar. Morgen sieht’s dann besser aus, du wirst schon sehen!«
    Er kannte sie fast alle. Aber nicht alle wachten auf. Also ging er in die Zellen, rüttelte sie wach und überzeugte sich davon, daß sie noch lebten. Sie lebten noch. Alle. Bei der letzten Zelle stutzte er.
    Eine Frau saß zusammengekrümmt in der hintersten Ecke. Sie schlief nicht, obwohl ihre Augen geschlossen waren. Sie preßte sie fest zusammen, und selbst vom Türgitter aus sah er, daß ihre Lider bebten.
    Vorsichtig zog er den Riegel zurück und öffnete die schwere Metalltür. Die Frau reagierte kaum, sie kniff die Augen nur noch fester zusammen.
    Knut Frogner war auf einem Hof großgeworden. Er wußte, wie verängstigte Tiere aussehen. Und er hatte zwei Kinder und einen gesunden Menschenverstand. Er blieb bei der Tür stehen.
    »Hallo«, sagte er leise.
    Noch immer keine Reaktion.
    Er hockte sich hin, um nicht so groß auszusehen.
    »Ich bin nicht gefährlich.«
    Vorsichtig öffnete sie die Augen. Sie waren dunkelblau.
    »Wer bist du?«
    Vielleicht sprach sie kein Norwegisch. Sie hatte, trotz ihrer Augen, etwas Ausländisches an sich.
    »Who are you«, wiederholte er in seinem Gausdaler Schulenglisch.
    Es war nicht leicht. Die Frau gab einfach keine Antwort und hatte die Augen schon wieder geschlossen. Mit vorsichtigen, langsamen Schritten ging er zu ihr und hockte sich wieder hin. Er legte ihr die Hand aufs Knie, und sie fuhr zusammen. Immerhin machte sie die Augen auf.
    »Wer bist du?« wiederholte er.
    Er hatte kein Protokoll über eine festgenommene Ausländerin gelesen. Es lag überhaupt nichts über eine festgenommene Frau vor. Den Polizisten überkam ein arges Gefühl der Beklemmung. Wie lange saß diese Frau denn überhaupt schon hier?
    Eins war ihm jedenfalls klar. Hier mit ihr zu reden würde nichts bringen. Vorsichtig, aber entschlossen zog er die Frau auf die Beine. Offenbar hatte sie lange in derselben Haltung gesessen, denn sie verzog schmerzlich das Gesicht, als sie sich mit steifen Bewegungen aufrichtete. Sie roch nicht nach Alkohol. Wegen Trunkenheit konnte sie also nicht festgenommen worden sein. Aber ihren Kleidern nach zu urteilen kam sie von Gottweißwoher.
    Er nahm ihre Hand und führte sie langsam aus der Zelle. Im Wachlokal jagte er drei müde Polizisten vor die Tür und schaltete das Videogerät aus. Dann setzte er die Frau auf das unbequeme Sofa.
    »Ich müßte schon wissen, wie du heißt«, sagte er und versuchte, trotz seiner Uniform so nett wie möglich zu wirken. Sie murmelte einen Namen. Ihre Stimme war ganz leise, und er konnte sie einfach nicht verstehen.
    »Was«, sagte er rasch, legte den

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