Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
haben allen Grund, misstrauisch zu sein, Dolly-Darling. Aber da gibt es so viele Fäden, und ihr versucht weniger, sie zu entwirren, sondern vielmehr sie wieder zu einem Muster zu verknüpfen, das jemand anders bereits vorgegeben hat.«
Der Vampir erhob sich und tänzelte im Zimmer umher. »Ihr überseht etwas Entscheidendes, und auch wenn ich es nur äußerst ungern erwähne in Anbetracht seiner absolut ausgezeichneten Dienste, so gibt es doch nur eine einzige Person, die weiß, was geschehen ist – was wirklich geschehen ist –, als Ihr Sandy in Ägypten war, mein lieber Dolly.«
Biffy und Lyall sahen einander an. Sie wussten beide, wen Lord Akeldama meinte.
Schließlich sagte Lyall: »Es ist stets recht schwierig, ihn zum Reden zu bringen.«
Biffy sagte: »Ich habe mich oft gefragt, ob er überhaupt mehr als das obligatorische ›Sehr wohl, Sir‹ sagen kann.«
Lord Akeldama lächelte und zeigte dabei seine Fangzähne. »Also, meine reizenden Jünglinge, in diesem Fall bin nicht ich es, den ihr braucht, um an weitere Informationen zu gelangen. Wer hätte gedacht, dass ich je von einem Butler übertrumpft werden würde?«
Professor Lyall und Biffy erhoben sich und verbeugten sich höflich, in dem Wissen, dass das, was Lord Akeldama gesagt hatte, stimmte und dass sie bei ihrer Ermittlung zum ersten Mal vor einer echten Herausforderung standen – nämlich Floote zum Reden zu bringen.
Sie trafen Lady Maccons Butler in der Küche an, wo er gerade den Speiseplan für die Mahlzeiten der nächsten Woche zusammenstellte.
Biffy hatte Floote noch nie zuvor richtig angesehen. Man musterte das eigene Hauspersonal in der Regel nicht allzu genau, denn so etwas konnte als Einmischung in häusliche Angelegenheiten aufgefasst werden. Floote war der perfekte Dienstbote, stets zur Stelle, wenn man ihn brauchte, stets wusste er, was gewünscht wurde, manchmal sogar schon, bevor es seinen Dienstherren selbst bewusst war.
»Mr Floote«, sagte Professor Lyall sanft. »Dürften wir einen Augenblick Ihrer Zeit in Anspruch nehmen?«
Der Butler blickte zu ihnen hoch. Ein unscheinbarer Mann mit einem unscheinbaren Gesicht. Zum ersten Mal bemerkte Biffy, dass Flootes Haut wettergegerbt war und dass sich tiefe Falten um Nase und Mund und an seinen Augenwinkeln zeigten. Er bemerkte, dass die Schultern des Butlers, einst stocksteif und gerade, sich allmählich vor Alter beugten. Soweit Biffy wusste, war Floote der Kammerdiener von Alessandro Tarabotti gewesen, und das bereits, als Alexias Vater zum ersten Mal im offiziellen Register von BUR auftauchte. Danach hatte Floote für Alexia gearbeitet. Er muss weit über siebzig sein! , dachte Biffy.Er war nie auf den Gedanken gekommen, danach zu fragen.
»Natürlich, Sirs«, sagte Floote. In seinem Tonfall lag eine gewisse Zurückhaltung.
Sie verlegten die Unterhaltung in den hinteren Salon, sodass die Köchin und die Haushälterin den Speiseplan ohne Flootes Beitrag fertigstellen mussten. Floote schien nicht besonders glücklich über dieses Arrangement zu sein.
»Bitte nehmen Sie doch Platz, Mr Floote«, sagte Professor Lyall und deutete mit einer seiner feingliedrigen weißen Hände, das fuchshafte Gesicht leicht verkniffen.
Floote wollte nichts dergleichen tun. Vor seinen Herrschaften sitzen? Niemals! Biffy bemerkte es, denn dafür kannte er den Charakter des Mannes gut genug. Das war bei Lyall natürlich auch der Fall, aber der Beta wollte, dass sich der Mann unbehaglich fühlte.
Lyall stellte die Fragen, während Biffy mit verschränkten Armen das Verhalten des Butlers beobachtete. Genau in solch einer Fertigkeit war er von Lord Akeldama ausgebildet worden. Er beobachtete die Art und Weise, wie sich Flootes Augenbrauen leicht bewegten, sich seine Pupillen erweiterten und er das Gewicht in den Knien verlagerte. Doch der Butler zeigte nur sehr wenige Veränderungen im Laufe der Befragung, und seine Antworten waren stets kurz und knapp. Entweder hatte der Mann nichts zu verbergen, oder Biffy hatte einen Meister vor sich, dessen Können seine eigene Fähigkeit der Beobachtung bei Weitem übertraf.
»Sandy war laut seinen Tagebüchern mindestens dreimal in Ägypten, hat aber nur wenige Einträge darüber gemacht, was seine Angelegenheiten dort betrifft. Was ist beim ersten Mal geschehen?«
»Nichts von Bedeutung, Sir.«
»Und beim zweiten Mal?«
»Da begegnete er Leticia Phinkerlington, Sir.«
»Alexias Mutter?«
Floote nickte.
»Ja, aber was hat er in Ägypten sonst
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