Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
einen Zeitungsjungen erinnert hatte. »Also werden Sie es womöglich beide überleben, bis er seine Mündigkeit erreicht hat?«
Prudence trank ihre warme Milch aus und schob launisch die Tasse von sich. Alexia konnte gerade noch eingreifen, bevor sie vom Tisch gefallen wäre. Daraufhin verlegte die Kleine ihre Aufmerksamkeit auf die gedruckte Speisekarte, die der Steward unklugerweise zurückgelassen hatte. Sie fuchtelte glücklich damit herum und verbrachte dann einige Zeit damit, die Ecken umzufalten.
Madame Lefoux’ Grübchen traten wieder in Erscheinung. »Womöglich. Es ist eigenartig erholsam, wenn einem die Verantwortung für sein Wohlergehen teilweise abgenommen wird, obwohl es …«, sie machte eine bedeutsame Pause, »… Diskussionen mit der Countess gab. Ich kann ihren Einfluss nur mildern. Ich nehme an, das ist bei Ihnen und Lord Akeldama ähnlich.«
»Bisher scheint Prudence bei den meisten Dingen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Er bevorzugt zwar aufgeputzte Rüschenkleidchen, aber von einem Vampir kann ich wohl kaum Zweckmäßigkeit erwarten. Prudence scheint es nicht zu stören, und Conall und ich sind glücklich darüber, diese Hilfe zu haben. Bei den Werwölfen gibt es ein Sprichwort: ›Um ein Kind großzuziehen, ist ein Rudel nötig.‹ In diesem Fall sind ein Rudel, Lord Akeldama und alle seine Drohnen vielleicht gerade ausreichend, um mit meiner Tochter fertig zu werden.«
Madame Lefoux bedachte sie mit einem zweifelnden Blick. Das Kind sah in etwa so unschuldig aus wie ein Werwolf mit einem Schweinekotelett im Maul. Prudence spielte zufrieden mit der Speisekarte und summte leise vor sich hin.
Die Französin trank den letzten Schluck Schokolade aus ihrer Tasse und schenkte sich eine weitere Portion aus der Kanne nach. »Ihnen fällt es leichter loszulassen als mir.«
»Nun ja, ich vermute, ich bin weniger mütterlich veranlagt als Sie, außerdem ist Lord Akeldama ein Freund. Wir teilen die gleichen Sympathien und Interessen.«
»Nicht so die Countess und ich.«
Lady Maccon lächelte. »Soweit ich das beurteilen kann, teilen Sie durchaus eine gewisseVorliebe miteinander.«
»Was könnten Sie damit nur andeuten wollen?«
»Mabel Dair vielleicht?«
»Aber Alexia!« Madame Lefoux strahlte sie an. »Sind Sie etwa eifersüchtig?«
Alexia hatte eigentlich nur ein wenig sticheln wollen, doch auf einmal wurde ihr klar, dass man sie in einen Flirt verwickeln wollte, und sie wurde ganz verlegen. Sie hätte ein solch skandalöses Thema nie auch nur anschneiden sollen.
»Das sieht Ihnen ähnlich, die Sache gleich wieder darauf zurückzubringen.«
Madame Lefoux nahm Lady Maccons Hand und wurde auf eine Art und Weise ernst, die Alexia ziemlich nervös machte. Der Blick ihrer grünen Augen wirkte bekümmert. »Sie haben sich nie die Chance gegeben herauszufinden, ob es Ihnen gefallen würde.«
Alexia war überrascht. »Was? Oh.« Sie fühlte, wie ihr unter dem engen Mieder warm wurde. »Aber ich war bereits verheiratet, als wir uns begegneten.«
»Ich nehme an, das ist wenigstens etwas. Zumindest haben Sie mich als Konkurrenz gesehen.«
Alexia rang nach Worten. »Ich … ich bin sehr glücklich verheiratet.«
»Was für ein Pech. Nun ja, dann hat eine von uns ihren Platz gefunden. Ich schätze, Sie hätten es schlimmer treffen können als mit Conall Maccon.«
»Danke. Aber mit Ihnen und den Woolsey-Vampiren und Miss Dair kann es auch nicht so schlecht stehen, sonst wären Sie diesbezüglich nicht so mitteilsam.«
»Touché, Alexia.«
»Dachten Sie, ich würde Ihren Charakter nicht analysieren, während Sie dies bei mir tun? Wir haben zwar in den letzten paar Jahren nicht viel Zeit in der Gesellschaft des anderen verbracht, aber ich bezweifle, dass Sie sich so sehr verändert haben.« Alexia beugte sich vor. »Die Ehemalige Lefoux sagte mir, bevor sie endgültig ging, Sie würden zu freigebig lieben. Ich finde es interessant, dass Sie bei einzelnen Individuen und Ihrer viel gepriesenen Technik so loyal und beständig sind und doch so wankelmütig gegenüber Gruppierungen und Regierungen.«
»Beschuldigen Sie mich, meine eigenen Interessen zu verfolgen?«
»Würden Sie das abstreiten?«
Madame Lefoux lehnte sich zurück und stieß ein silbrig perlendes Lachen aus. »Warum sollte ich das?«
»Ich nehme nicht an, dass Sie mir sagen werden, wem Sie über diese spezielle Reise Bericht erstatten. Dem Orden des Messing-Oktopus? Den Woolsey-Vampiren? Der Royal Society? Der
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