Septimus Heap 06 - Darke
stand von dem kleinen Hocker auf und stellte sich neben das Feuer. Er spürte, dass er seinen Worten Nachdruck verleihen musste. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, sagte er und schaute auf Marcia hinab.
»Nein, wohl nicht«, gab Marcia kleinlaut zu.
»Also, wenn Sie an meiner Stelle wären und hätten diese eine Chance, Alther zurückzuholen, würden Sie sie ergreifen?«
Es folgte eine Stille, die nicht einmal Jim Knees Schnarchen zu stören wagte. Schließlich antwortete Marcia.
»Ja«, sagte sie leise. »Ja, ich glaube, das würde ich.«
»Danke«, sagte Septimus. »Dann werde ich heute Nacht gehen. Um Mitternacht.«
»Also gut«, seufzte Marcia. »Ich werde die nötigen Vorkehrungen treffen.« Damit stand sie auf, ergriff den Lehrlingsalmanach und ging in ihr Arbeitszimmer. Nach ein paar Minuten kam sie wieder, in der Hand einen großen Eisenschlüssel, der an einer schwarzen Kordel hing, und sagte zu Septimus: »Du nimmst ihn am besten gleich an dich, bevor ich es mir anders überlege. Das ist der Schlüssel zu Verlies Nummer Eins.«
Septimus steckte den Schlüssel in seine Sicherheitstasche und knöpfte sie zu. Der Schlüssel war schwer und klobig – ein Gewicht, das Septimus nur ungern mit sich herumtrug. Er würde froh sein, wenn er ihn nicht mehr benötigte.
In der Hoffnung, Marcia etwas zu beruhigen, sagte er: »Es wird schon alles gut gehen. Ich werde etwas mitnehmen, was mich schützt.«
Marcia sah ihn höchst ungehalten an. »Falls dir dieser Marcellus Pye irgendwelchen alchimistischen Schnickschnack versprochen hat – und das hat er, nicht wahr? –, bilde dir bloß nicht ein, dass der auch nur im Geringsten hilft. Die Alchimie ist nur Schall und Rauch, Septimus. Alles nur Gerede und nichts dahinter. Ihr ganzer Mumpitz hat noch nie funktioniert. Alles barer Unsinn.«
»Aber Marcia, ich bin mir sicher, dass Marcellus ...«
»Marcellus! Vergiss Marcellus. Septimus, du musst auf dich selbst und deine Zauberkräfte vertrauen.« Marcia blickte auf ihre Uhr und seufzte. »Schon Mittag. Nicht genug damit, dass ich mich mit einem Alchimisten herumärgern muss, der sich in alles einmischt. Gleich wird auch noch eine aufdringliche Prinzessin vor meiner Tür stehen und aus diesem vermaledeiten Buch mit der klitzekleinen Schrift zitieren, das ein Fluch im Leben jedes Außergewöhnlichen Zauberers ist. Und dann dieser Doppelgeburtstag. Darauf könnte ich liebend gern verzichten.« Damit stürmte sie in ihr Arbeitszimmer.
Septimus blieb noch eine Weile stehen, sah ins Feuer und genoss die Stille – von den gelegentlichen Schnarchlauten einmal abgesehen. Er sann über Marcias Worte nach. Tief in seinem Inneren war er davon überzeugt, dass sie sich in Marcellus irrte – nicht jede Alchimie war Unsinn, das wusste er aus eigener Erfahrung. Aber ebenso wusste er, dass Marcia diese Meinung niemals teilen würde.
Dieser Rummel um die Schwarzkunstwoche war schrecklich. Irgendwie trieb er einen Keil zwischen ihn und alle, die ihm am Herzen lagen. Er hätte sich wirklich Marcias Zustimmung zu seinem Vorhaben gewünscht, aber er war es, der in die Dunkelwelt gehen musste, nicht Marcia. Er musste es auf seine Weise tun, nicht auf ihre.
Septimus ging zur Tür. Es war an der Zeit, Marcellus aufzusuchen.
* 7 *
7. Die Buchbringerin
D i e aufdringliche Prinzessin hatte wie Septimus einen Geburtstagsmorgen, der ganz im Zeichen ihrer Pflichten stand. Um Punkt neun Uhr klopfte eine groß gewachsene Frau an die Tür des Palastes. Sie trug ein Palastgewand, das so altmodisch war, dass tatsächlich noch lange goldene Bänder von den Ärmeln baumelten.
Der Zauberer, der heute Vormittag den Türdienst versah, saß gerade beim Frühstück, und so war es Sarah Heap, die schließlich öffnete. »Ja?«, fragte sie gereizt.
»Ich bin die Buchbringerin«, verkündete die Frau in herrischem Ton, rauschte, ohne eine Aufforderung abzuwarten, zur Tür herein und brachte einen strengem Geruch von Mottenkugeln und einem Hauch Fisch mit.
»Geschenke kommen da hin«, sagte Sarah und deutete auf einen großen Tisch, auf dem sich bereits allerlei farbenfrohe Pakete stapelten. »Wir öffnen sie erst am Abend.«
Die Buchbringerin machte keinerlei Anstalten, zum Tisch zu gehen. Sie überragte Sarah um Längen, und sie wirkte dadurch noch größer, dass sie ihr weißes Haar in breiten Strähnen wie einen Verband um den Kopf gewickelt und zu einem bedenklich hohen Gebilde aufgetürmt hatte, das mit den
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