Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
»Sie haben gesehen, wie du dich neulich abends mit ihm getroffen hast. Ihr seid zusammen nach Quighole gegangen.«
»Ihr spioniert mir nach?«
Er wurde auf eine reizende Art und Weise rot. »Nicht dir! Ihm. Er behauptet, sein Vater sei eine Gefahr für den Ardmagar. Es erschien mir angebracht, etwas mehr über ihn und seine Familie in Erfahrung zu bringen.«
Der Horizont schwankte, so schwindlig war mir. »Und was habt Ihr herausgefunden?«
Seine Miene hellte sich auf, jetzt sprachen wir wieder über ein Geheimnis. »Auf seiner Familie liegt der Schatten eines Verdachts, aber von niemandem erfährt man Genaueres über das Verbrechen, das angeblich begangen wurde. Es scheint, dass nicht nur sein Vater betroffen ist. Wenn ich raten müsste, dann würde ich aufgrund des eisigen Schweigens, das mir in der Botschaft entgegenschlug, sagen –«
»Ihr habt Euch in der Botschaft erkundigt?«
»Wo sonst hätte ich Erkundigungen einziehen sollen? Ich tippe jedenfalls auf Wahnsinn als Ächtungsgrund. Du würdest dich wundern, was bei den Drachen als Verrücktheit gilt. Vielleicht hat sein Vater angefangen, Witze zu erzählen, oder seine Mutter ist fromm geworden oder –«
Ich konnte nicht mehr an mich halten. »Oder seine Schwester hat sich in einen Menschen verliebt?«
Kiggs lächelte grimmig. »So absurd es sich auch anhört, ja, vielleicht sogar das. Du merkst schon, worauf ich hinauswill. Der Bursche steht unter strikter Beobachtung. Wenn er dich lieben würde – ich behaupte nicht, dass er das tut –, dann würden sie ihn nach Hause schaffen und einer Exzision unterziehen. Sie würden seine Erinnerungen an dich auslöschen und –«
»Schon gut, ich weiß, was Exzision bedeutet«, sagte ich scharf. »Bei den Gebeinen aller Heiligen! Er empfindet gar nichts für mich. Macht Euch deshalb keine Sorgen.«
»Ah …« Sein Blick schweifte ins Unbestimmte. »Tja. Dann ist er ein Dummkopf.«
Ich sah ihn an und versuchte zu ergründen, was er damit gemeint hatte. Lächelnd erklärte er: »Weil er dich damit verletzt. Das ist doch wohl klar.«
Er war auf dem Holzweg, aber es war besser, ich bestätigte seinen Verdacht, damit er nicht weiter versuchte, mein wahres Verhältnis zu Orma zu ergründen, deshalb entgegnete ich: »Vielleicht bin ich ja der Dummkopf, weil ich ihn liebe.«
Darauf wusste er keine Antwort, aber seinem abwesenden Blick und seinem Stirnrunzeln nach zu urteilen, war ihm diese Antwort auch nicht recht.
Wir wandten uns nach Süden und ritten auf einem Weg, der eher ein Trampelpfad als eine Straße war. Ich machte mir allmählich Sorgen, wie lange diese Reise noch dauern sollte. Heute war Spekulus, der kürzeste Tag des Jahres. Bis wir bei den Rittern angekommen sein würden, wäre es mit Sicherheit so spät, dass wir, um noch vor Einbruch der Nacht zu Hause sein zu können, sofort wieder umkehren müssten. Kiggs hatte doch wohl nicht vor, nachts zu reiten? Ein erfahrener Reiter musste sich darüber keine Gedanken machen, aber ich konnte mich schon jetzt kaum noch auf dem Pferd halten.
Wir kamen zu einer düsteren alten Scheune, die anscheinend vor kurzem ein Raub der Flammen geworden war. Der hintere Teil des Dachs war eingestürzt, die Rückwand rußgeschwärzt und verkohlt und überall roch es nach Rauch. Jemand hatte das Feuer gelöscht, vielleicht hatte aber auch feuchtes Wetter dafür gesorgt. Kiggs sah sich den Stall genau an, dann bog er plötzlich vom Weg ab und ritt auf ein dichtes Unterholz zu, das, wie sich herausstellte, in ein kleines Wäldchen überging. Wir umrundeten es. Was von der Anhöhe aus wie Sträucher ausgesehen hatte, entpuppte sich nun, da wir die Talsohle erreicht hatten, als Bäume. Von der gegenüberliegenden Seite kommend ritten wir einen kleinen Bach entlang bis zu seiner Quelle, die in einer großen unterirdischen Höhle entsprang.
Kiggs sprang vom Pferd, nahm seine Satteltasche und ging zum Eingang der Höhle. Ich war nicht so geschickt beim Absteigen und hatte alle Mühe, das Pferd zu überreden, still zu stehen. Zum Glück merkte Kiggs es nicht. Er stand vor der Höhle, hielt als Zeichen seiner harmlosen Absichten die Hände über den Kopf und rief: »Bei Belondweg und Orison, wir kommen in Frieden!«
»Tut nicht so, als hättet Ihr Angst vor mir.« Ein unrasierter, knochiger und nicht mehr ganz so junger Mann, der eine Armbrust über der Schulter hängen hatte, trat aus dem Halbdunkel hervor. Wie ein Bauer trug er einen Arbeitskittel, der allerdings etwas
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