Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Vater war schließlich Rechtsanwalt. Von ihm wusste ich, wie leicht man Zeugen beeinflussen konnte.
»Junker Foughfaugh!«, rief der alte Mann. Er meinte Maurizio. »Hol mir aus meiner Truhe das alte Verzeichnis der Ards. Ich weiß gar nicht, weshalb ich mir meinen alten Kopf zermartere, wo ich doch alles aufgeschrieben habe.«
Maurizio brachte das Buch. Die Seiten rissen ein und wurden brüchig, als Sir James sie umblätterte, aber die Namen konnte man noch lesen. »General Imlann. Ja, das ist er.«
Ich hatte es zwar geahnt, aber mich überlief trotzdem ein Schauder.
»Seid Ihr sicher, dass er es war?«, fragte Kiggs.
»Nein, aber das ist alles, was ich Euch eine Woche, nachdem der Vorfall sich ereignet hat, darüber zu sagen vermag. Mit mehr kann ich leider nicht dienen.«
Er hatte genug gesagt und doch reichte es nicht aus. Wir waren so weit in die Ödnis geritten, um dies zu erfahren, und dennoch keinen Schritt näher daran, Imlann zu fangen oder auch nur zu wissen, was wir als Nächstes tun sollten.
Die Ritter bereiteten Tee und schwatzten mit uns, sie erkundigten sich nach ihren beiden Kameraden im Gefängnis und nach Neuigkeiten aus der Stadt. Maurizio machte weiterhin seine Späße – das schien seine Hauptbeschäftigung als Junker zu sein –, aber Kiggs war in Gedanken versunken und ging nicht auf seine Spötteleien ein. Und auch ich saß still da und dachte über unsere nächsten Schritte nach.
Nichts, was mir einfiel, schien mir vernünftig und klug zu sein. Sollten wir den Niederwald absuchen? Oder in den Dörfern nach seinem Saarantras Ausschau halten? Kiggs konnte nicht genügend Leute hier draußen einsetzen, ohne dass sie in der Stadt fehlten, wo sie für Comonots Sicherheit sorgen mussten. Sollte man Eskar davon unterrichten? Warum nicht den Ardmagar selbst und die Königin? Sollten sich doch die Urheber des Vertrags, denen am meisten an der Fortdauer des Friedens liegen musste, etwas einfallen lassen.
»Müssen wir nicht bald aufbrechen?«, raunte ich Kiggs zu, als die Unterhaltung ins Stocken geriet. Die meisten unserer Gastgeber hatten sich zu einem Nickerchen zurückgezogen, andere starrten träge ins Feuer. Auch Maurizio und Pender, der zweite Junker, waren verschwunden. »Ich bin nicht versessen darauf, im Dunklen zu reiten.«
Er hielt die Hand vor den Mund und schien sich ein Lachen zu verbeißen. »Bist du zuvor schon jemals geritten?«
»Wie? Natürlich, ich …« Sein Blick ließ mich verstummen. »Stelle ich mich so schlimm an?«
»Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten.«
»Ich wollte nicht, dass wir meinetwegen langsamer vorankämen.«
»Das sind wir auch nicht, bis ich merkte, dass du nicht absitzen kannst.« Er zupfte an seinen Fingernägeln, und es war ihm anzusehen, dass er insgeheim immer noch lachte. »Schon wieder muss ich über dich staunen. Gibt es denn gar nichts, wovor du dich fürchtest?«
Ich starrte ihn schweigend an. »Wie kommt Ihr darauf?«
Er zählte an seinen Fingern ab: »Du überlistest meine Wachen und hast es dir in den Kopf gesetzt, auf eigene Faust hierherzureiten. Du besteigst zum ersten Mal in deinem Leben ein Pferd, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, und gehst davon aus, dass es tun wird, was du von ihm willst.« Er beugte sich näher zu mir. »Du widersetzt dich Viridius und dem Grafen von Apsig. Du lädst verrückte Dudelsackspieler in den Palast ein, du verliebst dich in einen Drachen …«
So wie er es sagte, klang es tatsächlich ziemlich verwegen, nur ich allein wusste, wie viel Angst ich dabei ausgestanden hatte. Hier so nahe bei ihm zu sitzen, war beinahe das Einschüchterndste von allem. Seine freundliche Miene gaukelte mir eine trügerische Sicherheit vor, die doch nur eine Täuschung war. Einen winzigen Moment lang malte ich mir aus, wie ich ihm meine Ängste offenbarte und gestand, dass meine Tapferkeit nur Verstellung war. Ich würde meinen Ärmel hochschieben und sagen: Das ist der Grund. Hier stehe ich. Schau mich an. Und wie durch ein Wunder würde er nicht angewidert sein.
Gut und schön. Aber wenn ich schon meiner überschäumenden Fantasie freien Lauf ließ, dann musste ich mir auch vorstellen, dass er nicht verlobt war. Und dass er mich vielleicht küssen würde.
Aber genau das durfte ich mir nicht wünschen.
Ich stand auf. »Verehrte edle Herren«, sagte ich zu unseren Gastgebern, die auf ihren Bänken eingeschlummert waren. »Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft, aber wir müssen wirklich
Weitere Kostenlose Bücher