Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
mir schon so vertraut, dass ich mich hier zu Hause fühlte. Palastdiener hatten bereits das Bett zurechtgemacht und ein Feuer im Ofen entzündet.
Ich zog mich aus bis auf mein Leinenhemd; ich musste meine Schuppen waschen und ölen, auch wenn jeder Zoll von mir nach dem weichen Bett verlangte. Und um den Garten in meinem Kopf musste ich mich ja auch noch kümmern.
Ich nahm das Kissen von meinem Bett, setzte mich in den Schneidersitz, so wie Orma es mir beigebracht hatte, und schloss die Augen. Die Schmerzen waren inzwischen so stark, dass ich Mühe hatte, meine Atemzüge zu verlangsamen. Ich sagte immer wieder Alles in Ard wie ein Mantra vor mich hin, bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich meinen blühenden, farbenfrohen Garten der Grotesken vor mir sah, der sich bis an den Horizont meiner Gedanken erstreckte.
Einen Augenblick lang war ich verwirrt und musste mich erst wieder zurechtfinden; jedes Mal wenn ich den Garten besuchte, hatte sich etwas verändert. Vor mir lag die Umgrenzungsmauer aus uralten schmalen Backsteinen. Aus jeder Spalte wuchsen Farne wie grüne Haarbüschel. Dahinter sah ich den Brunnen der Dame ohne Gesicht, die Bank aus Mohnblumen und eine Wiese mit riesigen, verwilderten Schnitthecken. Ormas Rat folgend, blieb ich immer zuerst mit den Händen an der Eingangspforte stehen – diesmal war sie aus Schmiedeeisen – und sagte: »Dies ist der Garten meiner Gedanken. Ich pflege ihn, ich beherrsche ihn. Ich brauche mich vor nichts zu fürchten.«
Pelikanmann lauerte zwischen den Hecken, seine großen Kinnlappen verschwanden zum Glück im Kragen seiner Tunika. Wenn ich als Erstes auf einen Missgestalteten traf, war es besonders schwer, aber ich zwang mich zu lächeln und betrat den Rasen. Überrascht spürte ich kalten Tau zwischen meinen Zehen, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich barfuß war. Pelikanmann nahm keine Notiz von mir, sondern blickte unverwandt in den Himmel, der in diesem Teil des Gartens immer sternenübersät war.
»Geht’s Euch gut, Meister P?« Pelikanmann rollte unheilvoll die Augen, ein Zeichen, dass er erzürnt war. Ich wollte ihn am Ellbogen fassen – ich vermied es, meine Grotesken an der Hand zu berühren –, aber er wich vor mir zurück. »Ja, es war ein anstrengender Tag«, sagte ich freundlich. Behutsam umkreiste ich ihn und drängte ihn so wieder auf seine steinerne Bank zurück. Die Mulde darin war mit Erde gefüllt, in der Oregano wuchs. Wenn man sich auf die Bank setzte, wurde man von seinem feinen Duft umfangen. Pelikanmann empfand dies als sehr tröstlich. Er ging zur Bank und rollte sich zwischen den Kräutern zusammen.
Ich beobachtete Pelikanmann noch ein paar Minuten länger, um sicherzugehen, dass er sich wirklich beruhigt hatte. Mit seinem dunklen Teint wirkte er wie jemand aus Porphyrien; aber seine rote Kehle, die wie ein Sack war und sich bei jedem Atemzug dehnte und wieder zusammenfiel, sah nicht aus wie von dieser Welt. Weitaus verstörender als meine bildhaften Visionen war die Vorstellung, dass er oder andere, die noch missgestalteter waren als er, irgendwo auf der Welt lebten. Gewiss waren die porphyrischen Götter nicht so grausam und ließen es zu, dass jemand wie Pelikanmann tatsächlich existierte? Meine eigene Bürde war im Vergleich dazu leicht zu ertragen.
Er blieb ruhig. Das war fürs Erste geschafft und es war nicht einmal schwierig gewesen. Trotzdem waren meine Kopfschmerzen weiterhin unverhältnismäßig stark, aber vielleicht gab es noch andere Grotesken, die sich in heller Aufregung befanden.
Ich stand auf, um meinen Rundgang fortzusetzen, und stieß mit den nackten Füßen im Gras gegen etwas Kaltes, Ledriges. Ich bückte mich und entdeckte ein großes Stück Orangenschale und noch einige kleinere, die zwischen den hohen Buchsbäumen verstreut lagen.
Ich hatte den Garten für meine verschiedenen Grotesken mit dauerhaften Merkmalen ausgestattet – die Bäume für den Fledermausjungen, den Sternenhimmel für Pelikanmann –, und meine unergründlichsten Gedanken, der immerwährende Gedankenstrom, den Orma Unterbewusstsein nannte, tat alles Übrige. Neue Verschönerungen, seltene Pflanzen oder Statuen erschienen wie aus dem Nichts. Aber Abfall auf dem Rasen – da stimmte etwas nicht.
Ich warf die Schalen unter die Hecke und wischte meine Hände am Rock ab. Es gab in diesem Garten nur einen einzigen Orangenbaum. Erst wenn ich ihn dort nicht fand, würde ich anfangen mir Sorgen zu machen.
Bei einem etwas wackligen
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