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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Kontrolle darüber behalten. Das ist unser gutes Recht.«
    »Sir, aber Sie müssen doch zugeben, viele Menschen können sich Arzneimittel wirklich nicht leisten«, argumentierte ich eines Abends bei einem Drink.
    »Jeder möchte den Kranken helfen, mein Freund«, erwiderte der Vorsitzende. »Wissen Sie, wie viel ich persönlich jedes Jahr für die Leukämieforschung spende? Aber wenn ich das richtig sehe, wird niemand Lenox helfen, wenn wir Konkurs machen oder unsere Aktienkurse in den Keller fallen und Sie und ich unsere Jobs verlieren.«
    »Und diese Philosophie verkündet Tom Schwadron in Washington?«
    »Gott sei Dank haben wir einen Mann wie ihn in unseren Reihen.«
    Jetzt sagte Schwadron zu mir: »Sie haben Dwyer gestern Abend noch nach uns getroffen?« Er wirkte ebenso überrascht wie Keating.
    Danny und ich saßen mit dem Lobbyisten in einem Ruheraum des Dirksen Building, der mit bequemen Ledersesseln, Topfpalmen und einem Kaffeetisch ausgestattet war, und schlürften Erfrischungsgetränke. Das Subkomitee, dessen Beratungen er verfolgte, hatte seine Sitzung unterbrochen. Wir waren allein, obwohl draußen im Gang Dutzende von Journalisten darauf warteten, dass die Anhörungen fortgesetzt wurden.
    Schwadron schien schockiert vom Tod seines Freundes und hatte dunkle Augenringe.
    Ich war ihm noch nie begegnet und fand ihn beeindruckend. Ein großer, schlanker, jugendlich wirkender, weißhaariger Strippenzieher in den Vorhallen der Macht. Er stammte aus Connecticut, hatte an der Virginia Law Jura studiert, war Purple-Heart-Träger aus dem Koreakrieg, ehemaliger Kriegsgefangener, Botschafter in Saudi-Arabien und sprühte mit seinen 71 Jahren immer noch vor Energie.
    »Diese Liste, die Sie erwähnten, bezieht sich auf einige Probleme, mit denen sich der Vorstand gerade auseinandersetzt. Sie sagten, James hatte eine Botschaft an mich?«, fragte er.
    »Er wirkte erregt. Vermutlich wusste er da schon, dass er sich umbringen würde«, log ich. »Er sagte: ›Wenn Sie Tom sehen, sagen Sie ihm, wie sehr ich ihn schätze.‹ Ich hätte merken müssen, was er vorhatte. Im Rückblick sieht man alles klarer, fürchte ich.«
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe. Sprach er denn davon, was ihn so beunruhigte?« Schwadron beugte sich vor und fixierte mich mit seinen grauen Augen.
    »Das Abendessen mit Ihnen und Bill Keating.«
    Der ehrenwerte Tom Schwadron lehnte sich stirnrunzelnd zurück. Wenn man dem Washingtonian- Magazin glauben durfte, war er einer von Washingtons höchstbezahlten Anwälten.
    Ich hakte nach. »Er erwähnte ein Forschungsprojekt. HF-109.«
    »Forschung?« Schwadron wirkte betroffen, aber das musste nichts weiter zu bedeuten haben. Er schüttelte den Kopf. »Über Forschung haben wir nicht gesprochen.«
    Kim hatte Schwadron mir gegenüber als Dwyers Vertrauten bezeichnet, während Keating sein Protegé war. Schwadron ließ sich von der Geschichte leiten, während Keating ein Jünger des Marktes war. Schwadron neigte zu Diplomatie, wo Keating in die Schlacht zog. Schwadrons legendäres Selbstvertrauen resultierte aus seinem Glauben daran, dass er praktisch jeden von allem überzeugen konnte, Keatings rührte von dem Raubtier in ihm her, das jederzeit zum Angriff bereit war.
    Schwadron seufzte. »In meinem Alter verliert man immer mehr Menschen«, sagte er und blickte zwischen mir und Danny hin und her, um auch ihn ins Gespräch einzubinden. »Aber sich das Leben nehmen. Das habe ich nie verstanden.«
    »Bei diesem Abendessen …«, versuchte ich es noch einmal.
    »Ja, ja, es hat uns alle aufgeregt.«
    Wenn das stimmte, hat Keating gelogen, als er behauptete, es sei eine Feier gewesen.
    »Schwere Entscheidungen«, sagte ich.
    »Sie sind immer schwer.«
    »Drei Stunden«, soufflierte ich. Das bezog sich auf die Zeitspanne, die auf das Arzneifläschchen gekritzelt gewesen war. Die alte Verhörtechnik, so zu tun, als wisse man mehr, als tatsächlich der Fall war.
    Schwadron blickte in die Ferne und nickte. »Drei Stunden können die Welt verändern.«
    »Ich weiß.«
    »Pearl Harbor«, sagte er. »9/11.«
    »Schreckliche Ereignisse«, stimmte ich zu. Ich war beunruhigt. Was hatte das mit letzter Nacht zu tun? Und vor allem mit einem Pharmakonzern?
    Dann richtete Schwadron die Augen wieder auf mich, und sein abwesender Blick wurde nachdenklich. Mein Fischzug war beendet. Er griff nach seinem Glas. Es war still im Ruheraum, eine Oase des Friedens für Angestellte und Gäste, die sich zwischen den Sitzungen ausruhen

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