Settlers Creek
Motor an.
Box kannte die Stelle. Es war ein Campingplatz. Er hatte einmal mit Liz, Mark und Heather hier übernachtet, als die Kinder noch klein waren. Es mußte kurz nach Weihnachten gewesen sein, oder vielleicht hatte er sich im Januar ein paar Tage frei genommen, genau wußte er das nicht mehr. Sie hatten hier gehalten, weil Heather im Auto schlecht geworden war. Liz hatte befürchtet, es könnte eine Lebensmittelvergiftung sein, doch am nächsten Morgen war alles wieder in Ordnung.
Er nahm ein aufgeregtes Rascheln und Krächzen im Baum über ihm wahr und sah hoch. Er konnte undeutlich erkennen, daß Vögel auf den Ästen saßen, große Vögel mit gebogenen Hälsen, offenbar Zwergscharben. Überall saßen sie, die Bäume waren voll von ihnen, und der Boden unter den Bäumen war ebenso weiß von ihrem Kot wie die Äste, auf denen sie hockten. Sie bewegten die langen Hälse hin und her und breiteten große, lederartige Flügel aus. Box machte ihnen angst.
Er stand reglos da und lauschte auf die Vögel und die Brandung an dem Kiesstrand, den er zwar nicht sehen konnte, der aber ganz nahe sein mußte. Der kalte Wind vom Land roch nach Jauche, eine Begleiterscheinung der Rinderhaltung. Er versuchte sich an den Platz im Sommer zu erinnern, hell und warm und belebt mit Reihen von bunten Campingzelten und den gestreiften Vordächern der Wohnwagen. Doch jetzt war es dunkel, und er konnte sich die Farben des Sommers nicht in Erinnerung rufen.
Auf dem Highway fuhr ein Wagen vorbei. Seine Scheinwerfer streiften die Bäume zwischen Box und der Straße, und einen Augenblick lang glitten ein paar zersplitterte Lichtbalken über das Feld.
Box holte seine Taschenlampe unter dem Beifahrersitz hervor. Er ging nach hinten und schaute nach Mark. Natürlich hätte er den Jungen gern in der Fahrerkabine untergebracht, aber er paßte nicht hinein, und Box wollte ihn auf keinen Fall mit Gewalt hineinquetschen. Er wollte ihm jede weitere Entwürdigung ersparen, wenn es irgend ging. Der Leichnam hatte sich während der kurzen Fahrt bewegt, an einigen Stellen war die Decke verrutscht. Schwarzglänzende Schuhe sahen darunter hervor und die Hälfte von Marks Gesicht.
Sie hatten ihn umgezogen – die Jeans und Laufschuhe waren durch eine schwarze Hose mit passendem Jackett und Lackschuhe ersetzt worden. Nicht einmal tot hätte Mark in solchen Schuhen gesehen werden wollen. Bei dem Gedanken lachte Box plötzlich laut auf. Die Vögel raschelten und murrten auf ihrem Baum.
Es gab drei gute Spanngurte zur Ladungssicherung im Werkzeugkasten. Box brauchte sie, um Holztransporte zu Baustellen zu verzurren. Er breitete die Decke wieder über die Schuhe und wickelte den ersten Gurt doppelt um Marks Schienbeine. Mit der Schnalle am Ende des Gurts konnte er ihn festziehen und am Wagen verankern. Den zweiten Gurt schlang er wie einen dicken Gürtel um Marks Hüften, den letzten legte er ihm um den Hals, zurrte ihn jedoch nicht so fest wie die anderen; trotzdem lag die Decke so eng um Marks Gesicht, daß seine Nase und seine Wangenknochen plastisch hervortraten.
»Tut mir leid, mein Junge. Aber zumindest sitzt die Decke jetzt fest.«
Er holte das Abschleppseil aus dem Kasten und band Mark damit, so behutsam er konnte, auf der Ladefläche fest.
Danach nahm Box seinen Rucksack vom Beifahrersitz, setzte ihn vor die Scheinwerfer aufs Gras und öffnete ihn. Er zog seine Laufschuhe aus und dann die Jeans. Er zog Thermounterhosen an und darüber seine Arbeitsshorts. Das Gras war feucht, und er stellte sich auf die Jeans, damit seine Socken nicht naß wurden. Die Wanderschuhe hatte er seit über einem Jahr nicht mehr getragen, und er bekam sie wegen des steifgewordenen Leders kaum über seine Socken. Er band die Schnürsenkel und stampfte dann ein paarmal auf. Wenn er wirklich weit laufen mußte, würde es wohl nicht ohne Blasen abgehen. Doch darauf war er vorbereitet, in seinem Erste-Hilfe-Koffer hatte er Leukoplast und Blasenpflaster.
Er legte auch seine anderen Sachen ab und stand einen Moment lang halbnackt im eisigen Wind. Sofort zog sich seine Haut über den Muskeln zusammen. Rasch streifte er sein Skiunterhemd über, dann ein frisches T-Shirt und das Buschhemd, zum Schluß die Jacke.
Box stopfte die alten Sachen in den Rucksack, warf ihn auf den Beifahrersitz und stieg ins Auto. Mit Hilfe der Taschenlampe studierte er die Karte, die er am Nachmittag in der Touristeninformation gekauft hatte. Es war die beste, die sie hatten. Er fand den
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