Sex and Crime auf Königsthronen
das sein Mörder jedoch in die Pistole investiert, mit der er Wilhelm nach einem gemeinsamen Mittagessen erschießt.
Die angeblich letzten Worte des Prinzen vollenden sein Leben als Held im Dienste der Niederlande: »Mon Dieu, Mon Dieu, ayez pitié de moi et de ce pauvre peuple.« Zu Deutsch: »Mein Gott, mein Gott, hab Erbarmen mit mir und diesem armen Volk.«
Noch am Tag seines Todes verbreiten seine Mitstreiter diesen Satz in Briefen an wichtige Persönlichkeiten im In- und Ausland. Sind Wilhelms letzte Worte erfunden? Höchstwahrscheinlich, aber ganz in seinem Sinne.
Mit Wilhelms Tod ist der Widerstand gegen König Philipp II. von Spanien allerdings nicht gebrochen. Der Kampf geht im Namen und unter Führung von Wilhelms Sohn Moritz weiter. Er endet 1648 mit der internationalen Anerkennung der Republik der Vereinigten Provinzen der Niederlande. Ein unabhängiger Ständestaat, zunächst ohne Königshaus, später mit.
Keine Frage: Der Prinz hat einen hohen Preis gezahlt für seinen Freiheitskampf – aber auch Anna von Sachsen.
Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt.
Napoleon, Selfmadekaiser (1769–1821)
Da vorn läuft mein Volk,
ich muss hinterher –
ich bin sein Führer.
Kardinal Talleyrand (1736–1821)
E in bisschen Schulfunk muss sein, bevor wir uns in weitere Betten oder Kriminalgeschichten gekrönter Häupter stürzen und in die Kampf- und Klatschgeschichte ihrer Kritiker schauen.
Könige sind Spiegel ihrer Epoche. Letzteres gilt selbstredend auch für unsere normalsterblichen Vorfahren, über die wir aber jahrhundertelang nur wenig zu hören und zu lesen bekommen; dafür umso mehr über Könige & Co.
Schreiben ist eine seltene Kunst, und eine gute Buchführung können sich jahrhundertelang nur Monarchen leisten. Am Mythos ihrer Größe arbeiten Klosterbrüder, Hofchronisten, königliche Herolde und Palastsekretäre mit.
Selbstverständlich nicht unwidersprochen. Für die Beschädigung royaler Idealfiguren durch Schmutzkampagnen sorgen die Klosterbrüder, Chronisten und Sekretäre ihrer Gegner – ebenfalls Monarchen und karrierebewusste Blaublüter.
Natürlich ist auch relativ unabhängige Herrscherkritik adliger und nichtadliger Untertanen so alt wie das Königtum selbst – in schriftlich niedergelegter Form aber selten. Im 17. und 18. Jahrhundert ändert sich das endgültig und gewaltig. Genau wie die Königshäuser und das Palastleben.
Europas Machthaber orientieren sich in dieser Zeit am absoluten Königtum von Frankreichs Sonnenkönig. Mit 72 Jahren Amtszeit (gerechnet vom Tod seines Vaters an) ist Ludwig XIV. der am längsten regierende Herrscher der Neuzeit. Sein Regierungsstil, sein Hof, sein Benehmen und die Lebensart Ludwigs des Vierzehnten (1638–1715) sind epochemachendes Vorbild.
Unter ihm wird Frankreich zur dominierenden Großmacht. Das berühmte Bonmot »L’État, c’est moi«, der Staat bin ich, ist diesem berühmten Bourbonen-König zwar nur in den Mund gelegt worden, umreißt aber perfekt sein Regierungsprogramm. Genau wie das vieler zeitgenössischer Nachahmer unter Regenten und Fürsten.
Indes, die allumfassende Königsmacht reizt wie nie zuvor zum Widerspruch. Das Jahrhundert des königlichen Absolutismus ist auch geprägt von der Aufklärungsbewegung.
Ganz Europa erlebt eine Verbürgerlichung von Gesellschaft, Kultur und Literatur. Die Idee von Gleichheit und Bildung dient der Abgrenzung vom Adel. Menschlichkeit, Moral und Tugend sollen die Karriere des Bürgertums begleiten und die Welt entsprechend umgestalten. Auch darin will man ganz anders sein als Blaublüter und Monarchen.
Verstärkt mischen ab dem frühen 18. Jahrhundert Philosophen, Literaten, erste Journalisten und Klatschmäuler bei der Verdammung, aber auch der Verherrlichung einzelner gekrönter Häupter mit.
Das 18. Jahrhundert gipfelt in der Französischen Revolution, die radikal und ebenfalls absolut wie nie zuvor mit Blaublütern ins Gericht geht.
Wie und warum haben Monarchien trotz zunehmend scharfer Kritik und der französischen Fallbeilpolitik diesen Umbruch überlebt?
Regieren darf in Europa heute kein König und keine Königin mehr. Aber immerhin gibt es im 21. Jahrhundert noch acht recht berühmte royale Familien, nämlich in England, Dänemark, Spanien, den Niederlanden, in Schweden, Norwegen, Luxemburg und Belgien. Hinzu kommen Fürstentümer wie Liechtenstein oder Monaco.
Klatsch as Klatsch can – Aufklärer treffen auf royale Absolutisten
Die Menschen können
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