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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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leidenden Königs selbst. Die Therapie hat keinen Erfolg. Die Dämonen behalten Karls Seele fest im Griff. Am 1. November 1700 tut er den letzten Atemzug und mit ihm die spanische Linie der Habsburger. Am Ende hat vermutlich ein akutes Nierenversagen den 38-jährigen Karl dahingerafft.
    Es folgt ein blutrünstiger Erbfolgekrieg (1701–1714), der quer durch Europa zwischen der österreichischen Verwandtschaft Karls und der von Frankreichs Sonnenkönig ausgetragen wird. Mehrere royale Bündnispartner werfen sich mit in den dreizehnjährigen Krieg. Im Kampf um den verwaisten Thron zeigt sich das System »royale Alleinherrschaft« dank Erbfolgegesetz und Gottesgnadentum von seiner grausamsten Seite und ohne Rücksicht auf Verluste.
    Sieger wird – der absolute Ludwig XIV., genannt Le Grand. Ein Kandidat seines Hauses – und damit die Bourbonen-Dynastie – bekommt den Thron.
    Gleichgültig, was bürgerliche Literaten und Lästermäuler dem armen irren König Karl II. später in Sachen Aberglauben und Irrsinn an- und zugedichtet haben mögen, für den Erbfolgekrieg gilt das Urteil des genialen Dramatikers Schiller: »Wenn sich die Fürsten streiten, dann müssen die Völker sterben.«
    Der Bourbonen-Prinz, der Spaniens Krone nach dem Krieg übernimmt, macht die Sache nicht besser als die letzten Habsburger. Er hält Hof, statt zu regieren.
    Und in Europas Palästen blüht, genau wie in den Gassen, in literarischen Salons, bürgerlichen Debattierclubs und Cafés, weiterhin – neben aller Vernunft – der Klatsch.

Märchen über das Recht der ersten Nacht
    »Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut eines Tyrannen getränkt werden«, befindet Thomas Jefferson, dritter US -Präsident von 1801 bis 1809, in den bewegten Zeiten der Französischen Revolution. Immanuel Kant fordert 1781: »Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.«
    Gute Idee. Doch leider haben Menschen aller Epochen mit viel Verstand und nach bestem Wissen und Gewissen manchen Unsinn in die Welt gesetzt. So wird der Baum der Freiheit im Zeitalter der Vernunft weiter mit haarsträubenden Geschichten über königliche Exkremente und andere Ausscheidungen gedüngt. Hauptsache, es wirkt.
    Auch Geistesgrößen wie Voltaire beginnen Monarchen ungeprüft und en gros als Sexmaniacs bloßzustellen und zu Schmutzfinken zu erklären. Zwar gibt es in dieser Hinsicht historisch genug zu vermelden, aber vor einigen erfundenen Ferkeleien muss man die Monarchen heute in Schutz nehmen.
    Noch immer verbreitet ist etwa die Legende vom mittelalterlichen ius primae noctis . Zu Deutsch, dem Recht auf die erste Nacht.
    Das sah angeblich so aus: Die Leibeigenen des Mittelalters müssen es sich neben unbezahlter Arbeit, Elend und Hunger von Rechts wegen gefallen lassen, dass ihre Braut zunächst vom Lehnsherrn beschlafen wird. Danach erst darf der Bräutigam ins Ehebett. Die angeblich gesetzlich verankerte Serienvergewaltigung von Jungfern könnte jedoch pure Fiktion sein. Zu diesem Schluss kommt der Kulturhistoriker Alain Boureau in seinem Buch »Das Recht der ersten Nacht« aus dem Jahr 2000.
    Auch wenn Lehnsherrn und Adel ihre weiblichen Untertanen sicher häufig bis regelmäßig sexuell belästigt haben – ein Gesetz haben sie dafür wohl nie erlassen. Akribisch hat Boureau jeden angeblichen Beweis dafür geprüft und gern zitierte Fälle untersucht. Ergebnis: Das Ganze ist eine literarische Erfindung des Mittelalters. In einem Gedicht reimen Mönche vom Mont St. Michel sich um 1247 einen Grundherren zusammen, der das ius primae noctis regelmäßig nutzt. Das Ganze spielt sich jedoch in nebulösen Vorzeiten und wohl vor allem in der Fantasie der Klosterbrüder ab.
    Ein italienischer Renaissanceschriftsteller schiebt das ius primae noctis später einem schottischen Mittelalterkönig namens Evenus III. in die Schuhe. Den es allerdings nie gab. In Spanien gibt es zwar eine Hochzeitsnachtsteuer, die das Volk an den König entrichten muss; für eine Bezahlung in Naturalien finden sich allerdings keine Belege.
    Richtig in Mode kommen Märchen über den feudalen und angeblich weiterhin rechtsgültigen Brauch im vorrevolutionären Frankreich. Der Theaterschriftsteller Pierre Augustin Caron de Beaumarchais macht das Recht auf die erste Nacht 1778 zum Dreh- und Angelpunkt seiner Komödie »Figaros Hochzeit«. Die angriffslustige Satire auf den Adel wird von der königlichen Zensurbehörde verboten und kommt erst 1784 im nachrevolutionären Paris

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