Sex and Crime auf Königsthronen
grüne Ritter Heinrich wird mit Hofdamen, Wein und Gesang abgelenkt. Fern der Heimat verabschiedet sich der enthaltsame Tudor von rein platonischer Minne und zeugt mit ein oder zwei flämischen Damen mindestens einen Bastard. Noch dazu einen männlichen.
Er wird ihn nie anerkennen und die flaumweichen Fläminnen rasch vergessen, aber stolz ist er trotzdem auf die Frucht seiner Eroberung. Denn siehe da: Er kann’s! Er ist fähig, einen leibhaftigen, lebensfähigen Sohn zu zeugen. An ihm kann es also nicht liegen, dass Katharina bislang nur kränkliche oder tote Prinzen oder nur tote Prinzessinnen zustande gebracht hat. Das wird er sich merken.
Vom 16. bis zum 23. September 1513 darf Kraftprotz Heinrich dann auch seine echten Kanonen abfeuern. Habsburgs Kaiser braucht nachdrücklichere Argumente, um Tournai zur Unterwerfung unter ihn und Heinrich zu bewegen. Heinrichs zwölf Apostel überzeugen die Stadtväter.
Liebessatt und brummstolz zieht Ritter Heinrich »Treuherz« im Oktober ab gen Heimat und Gattin. In Tournai hinterlässt er 5000 Soldaten Besatzung und den Befehl, die zerschossenen Befestigungsanlagen für teures Geld zu restaurieren und auszubauen. Wir ahnen schon, dieser Krieg ist alles andere als ein Gewinn für Englands Staatskasse. Er verschlingt Heinrichs gesamtes Erbe und lässt die Steuerzahler bluten.
Heinrich fühlt sich trotzdem ganz als der große Sieger, als der künftige König von Frankreich, als Held der Christenheit und als Englands neuer Warlord. Stolz verkündet er, dass er Italien aus französischer Unterdrückung befreit hat, was Unsinn und schamlos übertrieben ist.
Weder auf eigenem Boden noch in Italien ist Frankreich geschlagen. Heinrichs philosophischer Brieffreund Erasmus lästert gegenüber Brüdern im Geiste: »Italien ist schlimmer dran als zuvor.« Er verspottet den Heiligen Krieg von Papst und Henry als unwürdiges Himmelfahrtskommando. Des Königs Vorzeigegelehrter lebt damals in Oxford und ist verärgert, dass er aufgrund eines französischen Weinembargos gezwungen ist, dickes Ale zu trinken, und sich darüber einen Nierenstein zuzieht. Die Zeiten des gefeierten Bildungswunders Heinrich sind für ihn und seine Kollegen vorbei.
Wer genau hinschaut, weiß bereits damals, dass Heinrich kein Kriegsheld, sondern vor allem ein Maulheld ist. So sieht es auch die moderne Geschichtsschreibung. Militärhistoriker halten dem ersten Tudor dennoch zwei Erfolge zugute, die Englands Aufstieg zum Global Player vorbereiten.
Erstens: Er bringt die reichlich abgewrackte Marine auf Vordermann. Sein Papa verfügte nur über zwei eigene Kriegsschiffe; im Bedarfsfall lieh er sich Kaufmannskaracken aus. Wie wir wissen, mied er Krieg jedoch weitgehend.
Sein Sohn, der das Motto think big erfunden haben könnte, lässt vierzig kriegstaugliche Hochseesegler auf Kiel legen. Darunter sind fünf hochmoderne Kriegsschiffe, die auf Zwischendecks 60 schwere und zwanzig leichte Kanonen mitführen und Breitseiten abfeuern können. 200 Matrosen, 185 Soldaten und 30 Kanoniere haben Platz an Bord. Außerdem gibt es genug Stauraum für Bierfässer. Jedem Mann steht eine Ration von 5,7 Litern am Tag zu, das hebt die Moral, zumal der Rest der Verpflegung aus steinhartem, käferverseuchtem Schiffszwieback und getrocknetem Walspeck und aus bis zur Ungenießbarkeit gesalzenem Schweinefleisch besteht.
Heinrichs maritimes Prestigeobjekt ist das Großschiff »Mary Rose« von über tausend Tonnen, gebaut von 1509 bis 1511, nachgerüstet 1536.
Es wird zwar – wegen Überladung – 1545 bei einem kleinen Seegefecht mit den Franzosen im Solent bei der Isle of Wight sinken, aber es setzt neue Maßstäbe im Schiffsbau. 1967 wurde das Wrack von Tauchern entdeckt. 1982 hoben es Archäologen und erforschen es seither. Die Mary Rose ist das Mutterschiff der Royal Navy, die unter Heinrichs Tochter Elisabeth I. mit einer Welteroberung beginnen wird. Von nun an gilt: Britannia rule the waves .
Die zweite unbestrittene Feldherrnleistung des Monarchen ist der Bau eines Rings von Festungsanlagen entlang Englands Küstenlinie. Heinrich betätigt sich dabei als kundiger Militärarchitekt. Meisterwerk ist der Umbau der Burg von Dover, die der König von einem deutschen Ingenieur der Renaissance schussfest machen und mit Geheimgängen durchziehen lässt. Die Mittelalterburg wird zu der uneinnehmbaren Festung, die es bis heute geblieben ist und in der noch Winston Churchill ein Kriegskabinett unterbringen sollte.
Eheschlachten und
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