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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Botschafter über den Kanal, um Heinrich sein persönliches Merci beaucoup zu übermitteln. Der junge Heinrich lächelt bei der Audienz für den Franzosen mit gebleckten Zähnen und erlaubt sich hinter den Kulissen und vor dem Kronrat einen dokumentierten Tobsuchtsanfall: »Wer hat diesen Brief geschrieben?«
    Es wird seine erste royale Strafpredigt, unter der sich alle wegducken. Alle außer Wolsey, der die Urkunde über Geheimfrieden nicht unterschreiben musste, weil er noch zu unbedeutend und zu clever ist. Der Beginn einer glänzenden Karriere.
    Der König will sich als »Europas letzter Ritter« beweisen. Das ist nun allen klar. Der Metzgersohn Wolsey wird ihm geben, wonach es Seine Majestät verlangt. Betonung auf »Seine«. Venedigs Botschafter fasst Wolseys kometenhaften Aufstieg zum Bischof von York, zum Erzbischof von Canterbury, zum römischen Kardinal und zum Lordkanzler Englands wenige Jahre später wie folgt zusammen: »Als ich zuerst nach England kam, sagte Wolsey: ›Seine Majestät der König wird das und das tun‹, dann sagte er: ›Wir werden das und das tun‹, und am Ende sagte er: ›Ich werde das und das tun.‹« Heinrichs Größe ist immer auch Wolseys Gewinn.
    Umsonst rechnen altgediente Finanzberater Wolsey 1511 vor, dass der kostspielige Zeitvertreib die Untertanen bis zu 20 Prozent Steuern kosten wird, um ein Heer anzuwerben und auszurüsten. England ist nach den Rosenkriegen nämlich ein militärisches Fliegengewicht. Wolsey verlegt sich auf das Argument der königlichen Ehre, die den Krieg notwendig macht.
    Aber noch geben sich die Bedenkenträger nicht geschlagen. Man zieht die Beratungen in die Länge, vertagt Sitzungen, schützt andere Angelegenheiten vor … Kurz: Man verhält sich in etwa so wie moderne demokratische Bundestagsfraktionen – bis Wolsey mit einem genialen verwaltungstechnischen Schachzug alle Bedenkenträger ausschaltet.
    Bislang mussten alle Staatsentscheidungen den althergebrachten »Kursus der Siegel« durchlaufen, bevor sie gültig waren. Alle Urkunden gingen durch mehrere Instanzen – darunter Privatkabinett und Kronrat. Jedes Beraterklübchen durfte jeweils eine Kopie anfertigen und danach sein Siegel darunter setzen. Ein Königreich für einen Fotokopierer!
    Erst nachdem die Unterschriftenmappe endlos zwischen Palastkorridoren hin- und hergereicht worden war, bekam der König sie zur Ansicht, konnte seine Kopie machen lassen, sie gegenzeichnen, seinen Lack daraufträufeln und mit dem Wappenring siegeln oder auch nicht.
    Sie ahnen es sicher: Bei dieser Form der Entscheidungsfindung konnte vieles in die Länge gezogen werden oder – oops, Pardon – in Schreibtischschubladen »verloren gehen«. Heinrich, kein Freund von Papierkram, hat da bislang über vieles hinweggesehen. Außerdem hasst der Jüngling Wortgefechte, er ist ja Poet und – noch – eher schüchtern.
    Wolsey, nicht nur Metzgersohn, sondern studierter Theologe und Jurist, macht zack, zack Schluss mit der Umstandskrämerei. Von Gottes Gnaden, so sagt er, ist es königliches Recht, Entscheidungen allein zu treffen und direkt zu siegeln. Der Zirkus mit den Unterschriftenmappen sei »nur« eine Konvention, aber kein Gesetz.
    Und überhaupt, so belehrt er die höfischen Aristokraten und Kardinäle: Der König steht über allen Gesetzen und darf jederzeit neue erlassen. Fragt mal nach beim Parlament. Das Parlament ist begeistert, weil es endlich mal in entscheidenden Dingen gefragt wird und sagt: Genau! Der König darf alles.
    Diese hochmoderne Argumentation überzeugt – wen wundert’s – Heinrich ebenfalls. Er erteilt Wolsey die Erlaubnis, ab sofort in seinem Namen alles im Kronrat durchzudrücken, was er – Heinrich – will. In diesem Falle Krieg.
    Der absolute Heinrich ist geboren. Hochadlig besetzte Palastgremien wie den Kronrat hat Wolsey zugunsten kleinadliger und bürgerlicher Parlamentsmitglieder so gut wie entmachtet. Wolsey, ein Aufsteigerpolitiker hält im Auftrag eines Aufsteigerkönigs einem Aussteigerparlament den Steigbügel. Tja, wie singen die kölschen Bläck Fööss so schön: »Denn he hält man zesamme, ejal wat och passet …« Dass Parlamente einmal wirklich mächtig werden könnten, damit rechnet in diesen Zeiten keiner. Man nimmt ja an, da sei Gott vor!
    Zum Dank für die königliche Aufmerksamkeit bewilligt das Tudor-Parlament Heinrich für eine erste militärische Expedition 61.000 Pfund zum Waffenkauf en gros. Nach heutigen Maßstäben ein Geschenk in

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