Sex and Crime auf Königsthronen
Heiligen Sakramente«.
Schon 1518 hat er als einer der ersten Fürsten Europas Luthers Schriften öffentlich verbrennen lassen. Jetzt, anno 1521, legt der König richtig los, um sich mit Antiketzer-Literatur beim Papst beliebt zu machen.
Es ist das erste Buch aus der Feder eines englischen Monarchen seit Alfred dem Großen, der im 9. Jahrhundert eine Art fragmentarischer Biografie zu Papier, Pardon, zu Pergament gebracht hat. Heinrich VIII., obwohl theologisch durchaus bewandert, schreibt zugegebenermaßen nicht ganz allein. Noch immer hasst er zu viel Arbeit mit Papierkram und insbesondere Schreibarbeiten, wie uns sein Busenfreund Wolsey überliefert hat.
Heinrichs Sekretär, Co-Autor und Ghostwriter wird der schon erwähnte Philosoph und Staatsmann Thomas Morus. Beiden gelingt die Propaganda für die katholischen Sakramente der Taufe, der Firmung, der Eucharistie, der Buße, der Ölung, der Priesterweihe und der Ehe so gut, dass der Papst König Heinrich den Titel Defensor fidei – Verteidiger des Glaubens – verleiht.
Diesen Titel trägt die derzeitige englische Queen noch immer, obwohl ihr Vorfahr Heinrich zum Todfeind des Papstes werden sollte. Seinen Co-Autor Morus befördert der König zum Dank für den schönen Beinamen in rascher Folge zum Minister und dann zum Lordkanzler.
Als Luther auf die Verteidigung der Sakramente mit einer Gegenschrift antwortet, in der er den »englischen Heinz und Sauhut« wüst beschimpft und ihm rät, bei der Bibellektüre erst mal »die brill auf die naßen« zu setzen, beauftragt der Tudor-König seinen Lieblingsphilosophen Morus mit einer deftigen Antwort. Morus beschimpft Luther als »Labyrinth geistiger Dummheit« und als theologisches »Erbsenhirn«.
Das ist noch höflich. Die Theologen und Gelehrten jener Tage eignen sich nicht als Lektüre für politisch korrekte Zeitgenossen der Moderne und ganz sicher nicht fürs Kinderzimmer. Ob Luther, Morus, Erasmus oder Calvin, sie alle bedienen sich eifrig skatologischer Beschimpfungen, um ihre heiligen Argumente durchzubekommen. Skatologisch ist der wissenschaftliche Begriff für Fäkaliensprache. Ob Papst, Bischof oder König – jeder wird als Riesenfurz, Scheißefresser, Pissesäufer, Hundsfott, korinthenkackender Papstesel oder faulgasiger Madensack geschmäht. Pardon, aber ich zitiere hier rein wissenschaftliche Werke.
Dem feinsinnigen Morus stinkt die Arbeit an einem zweiten Anti-Luther-Pamphlet allerdings gewaltig, darum legt er sich ein Pseudonym zu. Er hat König Heinrich schon bei der Verteidigung der katholischen Sakramente davor gewarnt, allzu dick aufzutragen.
Vor allem, wo es um die absolute Unterwerfung unter den Papst geht. Morus ist zwar ein energischer Gegner des deutschen Augustinermönches Luther, aber seine Zweifel an Leo und dem Papsttum hat er ebenfalls. Wie Luther weiß er, dass in der Bibel kein Pontifex vorkommt. Der schwunghafte Ablasshandel des amtierenden Medici-Papstes ist auch Morus ein Dorn im Auge. Leo X., ein lebenslustiger römischer Verschwender, legt die Heilige Schrift aus wie eine Anleitung zum Geldverdienen. Einige Quellen legen ihm ein überaus zynisches Geschäftsmotto in den Mund: »Alle Welt weiß doch, wie viel uns diese Fabel von Christus eingebracht hat.« Na denn.
Der Oberste Hirte füllt die Kassen des Vatikans schamlos wie keiner seiner Vorgänger. Auch er ist ein Superbauherr der Epoche und will den Petersdom mit dem Geld gutgläubiger Büßer neu gestalten. Peterspfennige und der Verkauf von Ablassbriefen garantieren zahlungswilligen Sündern bis zu zehntausend Jahre weniger im Fegefeuer und finanzieren das Bauprojekt. Und daneben diverse private Vergnügungen. Leo ist kein Glanzbeispiel päpstlicher Moral.
Morus warnt Heinrich auch aus einem anderen Grund vor seiner Lieblingsrolle als Papstverfechter und Moralapostel der Christenheit. Dem Philosophen ist um die sittliche und eheliche Standfestigkeit seines Königs bange. Der inzwischen zum Ritter geadelte Morus wittert früh, dass religiöser und dynastischer Ärger in der Luft liegt. In Gestalt eines erotischen Hochdruckgebietes namens Anne Boleyn.
Die aufregende Schwester von Heinrichs Bettschatz Mary Boleyn ist 1522 am englischen Hof eingetroffen. Frisch aus Frankreich, wo sie wie Mary eine Ausbildung zur Hofdame genossen und anscheinend mit Eins plus abgeschlossen hat.
Das glutäugige, gertenschlanke Fräulein, geschätztes Alter damals zwischen sechzehn oder (wahrscheinlicher) 21 Jahren, ist ein unmittelbarer
Weitere Kostenlose Bücher