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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Erfolg. Keine tanzt wie sie, keine plaudert wie sie, keine ist modisch derart up to date. Früher oder später muss sie Heinrichs Aufmerksamkeit erregen, das weiß Morus. Mehr noch: Die atemberaubende Hofdebütantin gilt als Befürworterin des neuen Glaubens. Das könnte zu politisch brisantem Bettgeflüster führen.
    Tatsächlich wird die zweite Boleyn-Tochter Heinrich, den gerade geborenen Helden der Feder, in einen Ketzer und notorischen Henker verwandeln. Die schwarze Natter Nan, wie Wolsey sie nennen wird, soll den Tudor in eine Schlacht verwickeln, die seinem Namen den ersehnten Weltruhm verschafft. Allerdings anders, als der ehemalige Prince charming sich das anfangs erträumt hat.

Die schwarze Nan und eine Ménage à quatre
    Königin Katharina, inzwischen 37 Jahre alt, ausgelaugt und unförmig, hofft 1522 noch immer, einen Thronfolger zu gebären. Sie unterzieht sich medizinischen Rosskuren, unternimmt Wallfahrten im Namen der Fruchtbarkeit, trägt das härene Hemd des franziskanischen Tertianerordens unter ihrer Robe und geißelt sich bis aufs Blut. Kein schöner Anblick. Heinrich kommt seinen ehelichen Pflichten sporadisch nach, aber Katharinas Leib »bleibt stumm«, wie Zeitgenossen es ausdrücken.
    Mit der recht stabilen Ménage à trois zwischen Heinrich, Mary Boleyn und ihr hat sich die Spanierin abgefunden. Sie weiß, dass es immer eine Dritte im Ehebund geben wird. Immerhin scheint Mary Boleyn, die in Hoftheaterstücken oft die Rolle der weiblichen Tugend »Freundlichkeit« spielt, auch im wirklichen Leben keine Kratzbürste gewesen zu sein.
    Katharina gegenüber ist sie respektvolle Hofdame und dem König gegenüber bescheiden. Lediglich ihr zur Tarnung geheirateter Gatte William Carey erhält regelmäßige karriereförderliche Zuwendungen. Er hat sogar die königliche Anweisung, mit Mary zu schlafen, damit eine eventuelle Schwangerschaft ihm allein in die Schuhe geschoben werden kann. Weitere Verhütungsunfälle à la Bessie Blount möchte Heinrich vermeiden. Dank der Rosenkriege weiß der Bastard-Ahne, dass zu viel unehelicher Nachwuchs die Thronfolge kräftig durcheinanderbringen kann. Verheiratete Geliebte haben seither Tradition im britischen Königshaus.
    Mary Boleyn muss sich als Anerkennung für ihre Dienste damit begnügen, dass der König ein Kriegsschiff auf ihren Namen taufen lässt. Mehr ist nicht drin. Schwester Anne schaut zu und lernt.
    Ab 1522 spielt sie ebenfalls in Tudor-Stücken mit und wird als die Tugend »Hartnäckigkeit« besetzt. Um Tugenden wird damals sehr viel Theater gemacht, wohl weil sie so selten und so kostbar sind. Englands Bühnenkunst vor Shakespeare ist eine hochmoralische Angelegenheit und eher unfreiwillig komisch.
    Im Rückblick ist die »Hartnäckigkeit« das ideale Rollenfach für Anne, sie würzt es mit einer Prise Dreistigkeit. Auf der Bühne erobert die kecke schwarzäugige Zofe vorerst lediglich Kulissenburgen, die von Höflingen mit Apfelsinen und Kuchenbomben bestürmt werden.
    Ein Vergnügen, über das selbst Königin Katharina lacht. Die goldblonde Spanierin sieht in der zweiten Dame Boleyn keine Konkurrenz. Rabenschwarzes Haar, dünne Gliedmaßen und eine spitze Zunge waren noch nie nach Heinrichs Geschmack, er mag es blond, demütig und hingebungsvoll. Überhaupt gilt Anne eher als hässlich denn als schön.
    Venedigs Gesandter bemerkt, sie habe schöne, fast schwarze Augen, die sie zu benutzen weiß, aber sonst?
    »Sie ist keine besonders hübsche Frau, von mittlerem Wuchs und dunklem Teint, hat einen langen Hals, einen breiten Mund und flache Brüste.« Mit so einem Fahrgestell hat sie kaum Chancen, durch den Tudor- TÜV zu kommen. Andere Begutachter entdecken weitere gravierende Mängel: einen sechsten Nagel am kleinen Finger der linken Hand und ein erdbeergroßes Muttermal oder gar eine fette Warze am sehr schlanken Hals.
    Nichtsdestotrotz, die Tochter des Botschafters Sir Thomas Boleyn ist die Sensation der Saison und dank ihrer Lehrjahre am Pariser Hof umwerfend elegant. Ihre Kleidung designt sie selbst und setzt Trends. Sie erfindet überlange Ärmel, um ihren missgebildeten kleinen Finger zu verbergen, kaschiert das Erdbeermal mit Samthalsbändern, bringt tiefere Ausschnitte und statt hölzerner Giebelhauben kokette Halbhauben in Mode, die ihre Rabenmähne zur Geltung bringen.
    Von einem Zofenposten steigt Anne rasch zur Hofdame von Katharina auf. Doch im Umkreis der Königin wird mehr gebetet als gelacht und mehr gestickt als getanzt. Anne

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