Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
Vom Netzwerk:
Jahrhunderten das Geld aus der Tasche zieht: Madonnen, die dank simpler Mechanismen im ausgehöhlten Kopf rote Tränen weinen können, Glasphiolen, die mit Entenblut statt mit dem des Erlösers gefüllt sind, und dergleichen mehr.
    Frommer Budenzauber, über den Luther treffend wetterte, demnächst verehre man neben »einem Strohhalm aus der Krippe Christi« auch noch »einen heiligen Furz aus der Trompete von Jericho«.
    Doch die Rebellenarmee unter Robert Aske zieht nicht für heilige Fürze ins Feld; sie hat handfeste Gründe für einen allgemeinen Aufstand.
    Mit der Zerstörung der katholischen Infrastruktur berauben Cromwell und der König ihre Untertanen nicht nur gewohnter Tröstungen, sie zerschlagen mit den Klöstern auch die einzige funktionierende Armenfürsorge des Landes. Genau wie eine halbwegs funktionstüchtige Krankenpflege, wichtige Pilgerstationen, kostenlose Reiseherbergen und zahlreiche Arbeitsplätze. Der Volkszorn ist echt und mächtig. Heinrich VIII. hingegen kann den Rebellen nur 8000 Soldaten entgegenstellen – und seine inzwischen ausgereifte Doppelzüngigkeit.
    Er lädt Robert Aske an den Hof ein. Das Erstaunliche: Aske geht hin. Unbewaffnet und mit einer kleinen Delegation. Der Rebellenführer und seine Anhänger streiten nämlich nicht nur für den rechten Glauben und für Jesus, sondern auch für ihren König. Sie halten Cromwell für den Erzschurken, der Heinrich im Alleingang betrogen hat. Der König ein Einfaltspinsel – so sehen sie Heinrich.
    Und der spielt diese Rolle gern und perfekt. Aske wird zu royalen Partys geladen, der König verspricht Besserung und Begnadigung für alle Aufständischen, gibt sich volkstümlich, singt beliebte Balladen und säuft sich mit Aske – seinem neuen Kumpel – die Hucke voll. Aske ist gerührt, erhält noch einen Samtmantel zum Geschenk und reitet frohgemut nach Hause.
    Heinrich hält seine Versprechen genau so lange, bis ein lokaler, unbedeutender Aufstand im Norden aufflammt, dann schlägt er erbarmungslos zu. Jetzt werden Mönche, Priester, die alten Pilger für die Gnade und jeder, der einen entfernt kritischen Huster von sich gegeben hat, gefangen genommen und erbarmungslos bestraft.
    Kleriker werden dem Horror der Hochverratsstrafe unterzogen, ihre gevierteilten Leichen reihenweise an Bäumen, Stadtmauern und Burgfesten aufgeknüpft. Dort baumeln die blutigen Reste als klare Warnsignale an alle, die es je wieder wagen werden, dem König zu widersprechen. Egal bei was. Heinrich rühmt sich hernach höhnisch, sein Volk habe weder »die Kühnheit noch die Kraft, ihm zu widerstehen«. Schlimmer geht’s nimmer.
    Der gescheiterte Kriegsheld entdeckt, dass er nicht nur Freunde und Ehefrauen, sondern sein ganzes Volk per Gesetz nach Belieben mit dem Tod bedrohen und niedermetzeln kann. Dank selbst erlassener Gesetze, die alle durch das Parlament abgesegnet sind.
    Rebellenführer Aske wird im Tower festgesetzt und schreibt einen flehenden Brief an Seine Majestät, ihm doch bitte das Ausweiden und Vierteilen zu ersparen. Umsonst, Heinrich kennt ab diesem Zeitpunkt keine Gnade mehr, und seinen feinsinnigen Verstand nutzt er zur Erfindung besonders ausgeklügelter Hinrichtungsmethoden. Giftmord? Ha, dagegen weiß er ein Rezept: Man siede den mutmaßlichen Täter so lange in leicht kochendem Wasser bis er gar ist. Das gab’s noch nie in England.
    Vergeblich bittet seine neue Gattin Nummer drei, Jane Seymour, ihn um Milde für die katholischen Gnadenpilger. Kategorisch schnauzt er sie an, sie wisse, wie er mit ungehorsamen Ehefrauen und dem Geschlecht der Erbsünde zu verfahren pflege. Von da an hält sich die neue Queen an ihr selbst gewähltes Motto: To obey and serve . Geboren zum Gehorchen und zum Dienen. Das tut sie buchstäblich bis zum letzten Atemzug.
    Auch die Religion kommt in diesen Jahren nicht zu kurz. Thomas Cranmer, Bischof von Canterbury und von Heinrichs Gnaden, lässt eine englischsprachige Bibel verfassen. Gottes Wort soll in England endlich mächtiger sein als der Papst und unüberhörbar. Noch mächtiger ist freilich »Junker Heinz« (Luther) – und noch unübersehbarer. Das bebildert das Deckblatt von Englands erster offizieller Bibelübersetzung (1539). Auf dem goldbemalten, bunten Kupferstich thront in der Mitte riesengroß der König. Gott hingegen ist winzig und nur dazu da, dem Monarchen aus einem Wölkchen den Heiligen Geist einzupusten.

Endlich! Der Prinz kütt
    Jane Seymour schenkt Heinrich 1537 den ersehnten Sohn.

Weitere Kostenlose Bücher