Sex-Star: Erotischer Roman (German Edition)
probieren.«
»Einen was?« Santosh blinzelte. »Ist er nicht ein Renaissance-Künstler?« Sie richtete ihre Brille. »Oder gehört er ins Barock?«
Claire seufzte. »Das ist mir doch egal. Entscheidend ist, dass jeder das Zeug trinkt. Pfirsichsaft und Champagner.«
»Aber ich mag keinen Champagner«, wandte Santosh ein. Ein paar Leute an der Theke schauten sie an, als hätte sie in der Kirche geflucht.
»Ich kriege Sodbrennen davon«, fügte sie trotzig hinzu.
»Aber du kannst kein Bier trinken«, sagte Claire fast flehend. »Es ist so ladette.«
Santosh schüttelte den Kopf. »Ich trinke Bier, weil mir Bier schmeckt. Was ist das für eine seltsame Welt, in der du lebst, Claire? Und wo es offenbar eine eigene Sprache gibt. Bellinis und ladette?«
»Aber das ist die wirkliche Welt«, rief Claire.
»Claire, verglichen mit meiner Welt ist das La-la-Land.«
»Nein, es ist die gleiche Welt. Nur ein bisschen verschieden. Und es leben weniger Ziegen da.«
»Ziegen?«
»Ja. Du hast mir gesagt, dass in Kabul alles kriecht vor lauter Tieren.«
Santosh seufzte. »Ja, richtig. Ziegen. Aber es geht nicht um Ziegen. Du hast da was falsch verstanden.«
»Oh, verdammt, du bist sauer, was?«, fragte Claire.
»Ja, klar bin ich sauer. Versuch doch mal, in Afghanistan an ein Bier zu kommen.« Santosh schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Hör mal, wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe, dann würdest du erkennen, dass es größere Dinge gibt als die Frage, wer heiß ist und wer nicht. Weißt du, was die Leute wirklich wollen? Sie wollen, dass ihnen regelmäßig Trinkwasser geliefert wird, sie wollen, dass man sich auf die Elektrizität verlassen kann, und sie wollen, dass die Leute aufhören, sich gegenseitig zu erschießen, damit sie ihr Leben fortsetzen können, ihren Nachwuchs erziehen und ihrer Arbeit nachgehen, ganz egal, wie langweilig diese Arbeit ist. Sie haben keinen Bedarf an Bellinis und Prada und Parfums, für das eine zweiseitige Hochglanzanzeige mit einem bulimischen Mädchen mit toten Augen wirbt. Sie haben andere Prioritäten, Claire.«
»Darling ...« Claire schüttelte den Kopf. »Komm von deinem Kreuz runter. Du fängst immer mit deinen antikapitalistischen Kampagnen an, sobald du ein bisschen Alkohol intus hast.«
»Stimmt doch gar nicht!«
»Stimmt doch!«
»Ich komme gerade aus einem Land, in dem Frauen noch vor ein paar Jahren zu Tode gesteinigt wurden, weil sie Lesen und Schreiben hatten lernen wollen. Verzeih mir, wenn ich der Meinung bin, dass unser hart erkämpftes Recht auf Bildung sich prostituiert, wenn wir unser Wissen missbrauchen, indem wir über Mode lesen.«
Claire atmete frustriert aus. »Frauen vorzuschreiben, was sie lesen sollen, ist genauso schlimm, als ihnen das Lesen gar nicht erst beizubringen.«
»Da stimme ich absolut zu. Aber wir lassen uns blenden von Cocktails und Schuhen und Höschen und Handtaschen und Vibratoren. Wir sehen nicht mehr das Wesentliche.« Santosh klopfte mit der Faust auf die Bar und suchte nach dem nächsten Wort. »Ich weiß es nicht. Wir sehen nicht ... ach, es fällt mir nicht ein.«
»Ziegen?«
Santosh sprudelte ihr Bier heraus, lachte und hustete. »Höre endlich auf mit den verdammten Ziegen!«, rief sie. »Himmel, ich bin besoffen. Ich glaube, wir sollten uns darauf einigen, dass wir gegensätzlicher Meinung sind, okay?«
»Ja, einverstanden.«
»Aber du weißt, dass es lächerlich ist, nicht wahr?«
Claire zündete sich noch eine Zigarette an. »Nein, nicht wirklich. Ich bin nur immer wieder erstaunt über die Einfältigkeit der Menschen. Wenn einer ihnen sagte, sie sollten Tiefseetauchflossen tragen und dazu ein Tutu, weil es die letzte Mode ist, würde es auf der Bond Street vor Flossenträgern nur so wimmeln. Es ist schon komisch, meine Liebe, aber wir gehorchen dem Modediktat, weil es uns Erleichterung beschert wie ein ergiebiges Pissen.«
»Bist du bereit, mir das schriftlich zu geben?«, fragte Santosh. Trotz des Alkohols hatte sie wieder diesen Blick im Auge, den neugierigen Journalistenblick. Es war Tosh gewesen, die Claire mit zu den einzelnen Wahlen geschleppt hatte. In ihrem Schlafzimmer hingen Poster von Che Guevara neben Black Sabbath.
Das war der fundamentale Unterschied zwischen ihnen, dachte Claire jetzt. Tosh wollte die Welt verändern, während Claire was für sich erreichen wollte.
»Verschwinde«, sagte Claire. »Du kriegst kein Exklusiv-Interview von mir für den Guardian, Missy.«
»Ich habe auch
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