Sexy, süß und namenlos
Talk getarntem Verhör durch Mr Phipps am Mittag war er ohnehin nicht in der Lage, seinen eigenen Geisteszustand objektiv zu beurteilen. Doch immerhin war es Grant gelungen, seinen Chef davon zu überzeugen, dass letzte Nacht nichts Zwielichtiges geschehen war.
Nachdem er seine Sekretärin angewiesen hatte, niemanden in sein Büro zu lassen, holte Grant tief Luft und wählte seine eigene Nummer. Beim vierten Klingeln sprang der Anrufbeantworter in seinem Haus an. Vielleicht konnte Harley das Telefon nicht finden. Oder sie duschte gerade. Da der Anrufbeantworter in seinem Arbeitszimmer stand, hinterließ er keine Nachricht, weil sie sie wahrscheinlich ohnehin nicht abhören würde. Stattdessen wartete er fünfzehn Minuten und versuchte es erneut. Wieder ging niemand an den Apparat.
Er wählte die Nummer seines Handys im Pick-up, doch als sein Anruf auf seine persönliche Voicemail weitergeleitet wurde, legte er auf und schaute auf seine Uhr. Da es fast halb drei war, verstand Grant nicht, wieso Harley nicht ans Telefon gegangen war. Wie lange hatte sie für den Einkauf gebraucht? Camille hatte oft tagelang eingekauft, sobald sie eine klare Kreditlinie hatte und sie den Privatjet ihres Vaters benutzen durfte. Natürlich war Harley nicht wie Camille. Sie mochte es, berührt zu werden, ja, sie lud ihn regelrecht dazu ein.
Grant lockerte seine Krawatte und wählte noch einmal seine Privatnummer. Ihm fielen auf Anhieb ein Dutzend Möglichkeiten ein, weshalb er sie nicht erreichen konnte. Vielleicht hatte sie das gute Wetter ausnutzen und sich am Pool entspannen wollen. Oder ihre Erinnerung war zurückgekehrt, und sie hatte sich auf die Suche nach Moana gemacht. Möglicherweise hatte sie die vierhundert Dollar und seinen Pick-up genommen und sich einfach aus dem Staub gemacht.
„Verdammt, Harley, geh ans Telefon!“
„Das ist schwer zu machen, da ich hier bin.“
Erschrocken knallte er den Hörer auf.
„Tut mir leid, Grant.“ Seine Sekretärin schob sich an Harley vorbei und hielt ihre Checkliste für die Hochzeit wie einen Schutzschild vor der Brust. „Sie sagte, du erwartest sie.“
Aber nicht so. Sein Blick fiel zuerst auf Harleys Schuhe, was ihn erstaunte. Andererseits hatte er schon immer eine Schwäche für hochhackige schwarze Slingpumps gehabt. Er ließ den Blick langsam höher wandern, über ihre schlanken, wohlgeformten Beine. Ihre schwarze Strumpfhose mit Naht verschwand unter einem sündhaft kurzen Rock. Wäre der nicht knallrot gewesen, hätte er ihn vielleicht überhaupt nicht bemerkt. Vervollständigt wurde ihr Outfit durch schwarze Handschuhe und einen breitkrempigen roten Hut. Grant musste erst mal tief durchatmen.
„Hätte ich einen Termin gebraucht?“ Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem übermütigen Lächeln. Sie schob die Sonnenbrille ein Stück die Nase herunter und zwinkerte, als sei ihr Erscheinen ein privater Scherz.
„Das ist schon in Ordnung, Mandy“, wandte er sich an seine Sekretärin, nachdem er einen großen Schluck Kaffee aus dem Becher getrunken hatte, der auf seinem Schreibtisch stand. „Ich habe erwartet, heute Morgen etwas von Harley zu hören.“ Er warf Harley einen wenig überzeugenden tadelnden Blick zu. „Allerdings per Telefon.“
„Ich hatte mich entschlossen, ein wenig nachzuforschen, und wollte nicht länger in deinem Haus auf dich warten.“
„In deinem Haus?“ Mandys blonde Brauen hoben sich.
Harley nahm die Sonnenbrille ganz ab und streckte ihre behandschuhte Hand aus. „Es tut mir leid, aber ich hatte es so eilig, mit Grant zu sprechen, dass ich mich gar nicht richtig vorgestellt habe. Ich bin …“
„Das ist meine Cousine.“ Grant kam eilig um seinen Schreibtisch, als könnte ein Händedruck zwischen Mandy und Harley den Schwindel auffliegen lassen. „Aus Ohio. Amanda Drexler darf ich dir Harley Monroe, eine Cousine mütterlicherseits vorstellen? Sie wohnt für ein paar Tage bei mir.“
Mandy schien erleichtert und schüttelte Harley die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Monroe. Ich wusste gar nicht, dass Grant – Mr Riordan – Cousinen hat. Sind Sie eine Cousine ersten Grades?“
Harley antwortete für ihn. „Dritten Grades, um genau zu sein.“
Ihre leichthin ausgesprochenen Worte verliehen Grants Lüge eine Glaubwürdigkeit, die ihn erstaunte. Ihre Kopfverletzung hatte ihrer Schlagfertigkeit jedenfalls nichts anhaben können. Er fragte sich, wieso jemand mit ihrer Geistesgegenwart und ihrem Einfallsreichtum seinen
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