Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
um einen Mord handeln. Dass am Herz »Narbenzustände nach abgelaufener Entzündung vorlagen«, kümmerte zunächst niemanden. Die Suche nach dem Täter lief an.
Am 7. September kam Hans Hetzel wegen eines Betruges in Haft. Als er in der Zeitung etwas über die fehlende Handtasche der Toten las, kam er ins Schwitzen: Jene lag bei ihm zu Hause, und seine Ehefrau wusste das. Hetzel hatte die nun tote Magdalena Gierth außerdem als Letzter gesehen und war mit ihr beim Essen in einem Restaurant beobachtet worden. Also gab Hetzel an, er habe beim Sex mit ihr plötzlich bemerkt, dass die Frau schlaff und tot sei. Als Wiederbelebungsversuche scheiterten, habe er die Leiche in Panik versteckt.
Diese eigentlich harmlose, wenngleich tragische Geschichte passte nicht zum Bild, das die Öffentlichkeit von Hans Hetzel gewann. Er war verheiratet, hatte aber trotzdem Sex mit einer Anhalterin. Zudem war er vorbestraft und laut Urteil ein »roher und brutaler Mensch, der zu sadistischen Handlungen neigt und schon früher Tiere misshandelt« hatte. Am 6. Mai 1954 äußerte Professor Ponsold, der Leiter des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Münster, zudem die Vermutung, dass »möglicherweise im vorliegenden Fall der Afterverkehr erst durch Würgegriff erzwungen wurde.«
Man war aus diesen Gründen, aber auch angesichts der als solche angesehenen Eindruck-Marke eines Seiles am Hals der Toten sowie Hetzels Reaktionen nach der Tat, »sicher, dass er sie bestialisch misshandelt, missbraucht und sich an ihrem Leiden sexuell erregt« hatte.
Verdächtig war zudem, dass Hetzel »die Leiche in die Nähe des Ortes der [im Jahr zuvor] ermordeten [Frau] Krüger brachte, die unter ähnlichen Umständen umgebracht« worden war. Wusste Hetzel von diesem Mord? Und warum beseitigte er die Leiche überhaupt? Was hatte er – abgesehen vom Ärger mit seiner Frau – bei einem natürlichen Tod seiner Sexualpartnerin zu fürchten?
Hans Hetzel benahm sich entweder schuldiger oder dümmer, als die Polizei erlaubt. Seine Frau teilte mit, »auf sexuellem Gebiete manchmal versagen zu müssen, wenn er täglich mit ihr verkehren wollte«.
Hetzel bestritt anfangs rundweg, mit der später toten Frau Gierth überhaupt in Körperkontakt gewesen zu sein. »Die Frau hat mir gegen vierzehn Uhr hinter dem Hofweirer Bahnübergang zugewinkt«, berichtete er den Polizisten am 8. September 1953. »Ich habe angehalten, und sie fragte mich, ob ich sie nach Lahr mitnehmen würde. Sie hat rechts vorne von mir Platz genommen. Während der Fahrt hat sie sich geäußert, dass sie gerne eine größere Autofahrt mitmachen würde.
Im Restaurant ›Wasserfall‹ habe ich zweimal Koteletts mit Bratkartoffeln und Tomatensalat bringen lassen. Es war Schweinefleisch. Wir tranken dazu je ein Viertel Rotwein.
Ich bin der Dame in keiner Weise nähergekommen, als dies unter fremden Menschen üblich ist. Wir waren auch die ganze Zeit per Sie.
In Butach, im Gasthaus ›Zum Engel‹, haben wir einen halben Liter Rotwein bestellt, aber wenig davon getrunken. Die Frau wollte zur Straßenkreuzung in Dinglingen mitfahren, so dass sie dort ausgestiegen ist.
In Offenburg habe ich noch vier bis fünf Bier getrunken. Bei der Tankstelle ›Kühner‹ habe ich zehn Liter getankt. Weiter weiß ich nichts von der Frau.«
Die Handtasche von Frau Gierth, die nach seiner Verhaftung in seiner Wohnung gefunden wurde, habe er dem Opfer für sechs D-Mark »abgekauft«. Seiner Ehefrau hatte Hetzel allerdings erzählt, er hätte die Tasche »in einer Gaststätte in Haslach« erworben.
Auf ernstes Nachfragen der Polizei wurde Hetzel deutlicher. »Ich erkläre«, sagte der nun gestresste Mann, »dass ich mit der Frau Gierth keinen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Es ist mir unbegreiflich, dass an meinen Kleidern Blut- und Kotspuren gefunden wurden.« Diese Aussage war purer Unsinn. Denn woher sollte das Blut der Toten an seiner Bekleidung kommen? Es wurde eng für Hetzel.
Die Polizei war nicht übereifrig: Nicht alles legte man gegen Hetzel aus. Die Schürfwunden an der Innenseite seines rechten Unterarms, nahe dem Handgelenk, sahen beispielsweise zu frisch aus, als dass sie von der Tat stammen konnten. Auch seine sonstigen kleineren Verletzungen und einige Narben hatten nach Auffassung der Untersucher nichts mit der Tat zu tun. Nur eins gab zu denken: »Bei der Untersuchung fiel uns noch das besonders kräftig gebaute männliche Glied des Hetzel auf.« Das war die Spurenlage für die
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