SGK342 - Das Echsengezücht greift an
angegeben hatte. Das Wohnhaus
stand in der Innenstadt. Es war ein dunkles, fünfstöckiges Gebäude.
Viele Menschen waren unterwegs, an den Straßenrändern
parkten unzählige Fahrzeuge. Neuhinzukommende fanden keinen Abstellplatz mehr.
In den Hauptverkehrsstraßen der Stadt ging es
kaum weniger turbulent zu als in Barcelona, Paris oder London.
Eine Kette von Geschäften lag nebeneinander.
Apotheken und Drogerien, Lebensmittel- und Bücherläden. Die meisten Geschäfte
waren über schmale Sandsteintreppen zu erreichen, vier oder fünf Stufen von der
Straße aus waren zu überwinden. Durch die Schaufenster konnte man die
Kauflustigen beobachten.
Alte Kastanienbäume und Eichen säumten den
Straßenrand.
Das bunte Stadtbild bekam Morna nur beiläufig
mit.
Sie ließ sich in einer Seitenstraße absetzen.
Die genaue Hausnummer hatte sie nicht genannt.
Sie bezahlte den Taxifahrer und schlenderte
später scheinbar interessiert an den Schaufenstern entlang.
Ihr Ziel lag nur etwa dreißig Schritte von
der Stelle entfernt, an der sie sich hatte absetzen lassen.
Es war das Haus mit der Nummer 97.
Dort, in der dritten Etage, wohnte Julica
Boshrom.
Kurz vor dem Haus gab es ein Zeitschriftengeschäft.
Morna beobachtete, daß dem Händler die neueste Tageszeitung förmlich aus der
Hand gerissen wurde.
Sie versuchte ebenfalls, ein Exemplar zu
ergattern, kam aber zu spät.
Morna wußte sich zu helfen. Sie trat einfach
an einen jungen Mann heran, dem bereits ein älterer Mann und eine Frau über die
Schultern blickten und so mitlasen. Viele Passanten, die noch versucht hatten,
eine Zeitung zu erwischen, informierten sich auf diese Weise.
»Gibt es etwas Besonderes ?« fragte sie in fast akzentfreiem Ungarisch. »Ich habe leider keine Zeitung mehr
erhalten ...«
Es stand auf der ersten Seite. Eine dicke
Balkenüberschrift sagte schon alles:
DER MÖRDER
VON BUDAPEST HAT WIEDER ZUGESCHLAGEN!
Passiert war es in den gestrigen
Abendstunden. Die Polizei datierte den Tod des Opfers zwischen 21.30 und 22.00
Uhr.
Eine junge Frau war auf dem Nachhauseweg von
einem Unbekannten überfallen und erstochen worden. Das Opfer wies die gleichen
Merkmale auf wie jenes, das in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober dem Mörder
in die Hände gefallen war. Daß es sich um den gleichen Täter handeln mußte,
daran gab es so gut wie keinen Zweifel. Der Frau war die Kehle durchgeschnitten
worden.
Morna las den Artikel sehr genau. Die Lektüre
machte sie besorgt und nachdenklich. Wenn gestern abend in Budapest ein Mord
geschehen war, mußte sich das Gleiche seltsamerweise auch in Prag und Wien
ereignet haben. Nur dann stimmte das Rätsel einer ungeheuerlichen Vermutung,
die den PSA- Agenten durch X-RAY-1 mitgeteilt worden war. Ein Mörder konnte an
zwei oder drei Orten gleichzeitig sein! Davon ging man aus in der PSA-Zentrale.
Morna verschob ihren geplanten Besuch bei
Julica Boshrom, aktivierte den hochsensiblen, kraftvollen Miniatursender in der
kleinen goldenen Weltkugel an ihrem Armkettchen und versuchte Kontakt mit ihrem
Kollegen Larry Brent aufzunehmen.
»Hier X-GIRL-C. Ich rufe X-RAY-3. Hallo,
Sohnemann, kannst du mich hören? «
Sie wartete auf das Bestätigungssignal. Es
erfolgte aber nicht. Das konnte verschiedene Gründe haben. Zu diesem Zeitpunkt
rechnete Morna Ulbrandson noch nicht damit, daß Larry etwas zugestoßen sein
könnte. Sie nahm eher an, daß der Zeitpunkt ihres „Anrufs“ unpassend war und
von ihm nicht beantwortet werden konnte.
Da unternahm sie einen Versuch bei Iwan
Kunaritschew.
Er antwortete sofort. »Hier X-RAY-7. Hallo,
charmante Schwedin, wie komme ich dazu, daß mir deine Stimme den grauen Morgen
versüßt ?«
»Olala«, entgegnete Morna, »ich habe gar
nicht gewußt, daß du eine poetische Ader hast, Iwan .«
»Towarischtschka, dir sind noch viele Seiten
meiner dunklen Seele unverschlossen. Aber wir sind nicht am Ort und im
Zeitpunkt, um sie die aufzuhellen. Vielleicht bei anderer Gelegenheit mal...
Ich nehme an, du hast eine Neuigkeit für mich .«
»Ich habe sie auch für Larry. Aber entweder
schläft er noch wie ein Murmeltier, oder er befindet sich in einer
Besprechnung, die es ihm unmöglich macht, Kontakt aufzunehmen. - Wir haben hier
einen neuen Mordfall, Iwan ...«
»Du sagst mir nichts Neues, Towarischtschka.
Gestern abend zwischen 21 und 22 Uhr wurde unter einer Moldaubrücke eine Frau
ermordet. Auf die bekannte Weise. Es gibt eine Parallele zu Budapest, nicht
wahr ?«
»Ja, Iwan«,
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