SGK342 - Das Echsengezücht greift an
bemerkte Morna Ulbrandson mit
schwerer Zunge. »Es ist unfaßbar ... zur gleichen Zeit, ein gleicher Mord -
aber an zwei so weit voneinander entfernt liegenden Tatorten, daß nach Adam
Riese ein und derselbe Täter eigentlich nicht in Frage kommt .«
»An drei Orten, wenn sich ein böses System
erfüllt«, fügte der Russe ihren Worten hinzu. »Wir dürfen Wien nicht vergessen.
Entweder ist man dort inzwischen auch bei der Aufklärungsarbeit, und unser
großer Spitzenmann ist mit von der Partie - oder in Wien weiß man noch nichts
von einem Verbrechen, weil es noch nicht entdeckt wurde. In diesem Fall ist es
nicht verwunderlich, daß wir von Larry noch nichts gehört haben. - Aber der
Neuigkeiten gibt’s noch mehr, verehrte Kollegin.«
»Ich hoffe, nur angenehme ...«
»Leider nein ...« erklang die leise Stimme
des Russen aus den winzigen Lautsprechern. »Wir haben hier einen zweiten Mordfall
- er wurde vor etwa zwanzig Minuten entdeckt, und ich bin gerade auf dem Weg
zum Kommissariat, um bei den ersten Untersuchungen dabei zu sein. Das Opfer ist
wieder eine Frau, die Todesart ist wieder die gleiche - und der wahrscheinliche
Zeitpunkt der Tat ist der heutige Morgen. Man schätzt die Zeit auf zehn, halb
elf ... die Leiche war noch warm, als sie von Spaziergängern entdeckt wurde
...«
*
Dieser Fall war derart bizarr, daß Morna kein
passender Vergleich einfiel.
Wenn mit der Nacht des 19. Oktober ein neues
System begonnen hatte und es sich im vermuteten Maß fortsetzte, dann bedeutete
dies, daß es in Budapest noch einen unentdeckten Mordfall geben mußte, und daß
man auch in Wien offenbar noch nicht auf dem laufenden war. Oder man
recherchierte bereits dort, und Larry Brent hatte nur noch keine Gelegenheit
gefunden, die Neuigkeit mitzuteilen.
Morna und Iwan unterbrachen ihr Gespräch und
vereinbarten, sofort wieder Kontakt miteinander aufzunehmen, sobald sie weitere
Informationen hatten...
Morna war aufgewühlt durch die Dinge, die sie
gehört hatte.
Nun beeilte sie sich, in das Haus Nr. 97 zu
kommen, um dort mit Julica Boshrom zu sprechen.
Hölzerne, gewachste Stiegen führten in die
dritte Etage hoch. Morna benutzte nicht den Lift.
¡Der Gang zeigte alte, abgebröckelte
Stückarbeiten unterhalb der Decke. Sie waren sehr hoch, ebenso die Fenster.
Hinter den einzelnen Wohnungstüren waren Stimmen oder Musik zu hören. In der
zweiten Etage weinte ein Kind.
Dann stand X-GIRL-C vor Julicas Wohnungstür.
Eine altmodische mechanische Klingel war
neben dem Türgriff befestigt.
Das helle Geräusch zerstörte die Stille
hinter der verglasten Wohnungstür.
Morna wartete ab.
Es kam niemand, um ihr zu öffnen.
Ob Julica noch schlief? Schließlich war sie
krank.
Morna ließ zwei weitere Minuten verstreichen,
nachdem sie die Klingel nochmal betätigt hatte.
Es blieb aber still in der Wohnung.
Die Schwedin hob kaum merklich die
Augenbrauen.
Sie konnte sich nicht vorstellen, daß die
Ungarin angab, krank zu sein, nicht zur. Arbeit kommen zu können - und dann
doch das Haus verließ .. . Sie mußte damit rechnen,
daß man ihre Krankmeldung überprüfte, oder daß eine Kollegin sie sah. Dann war
sie ihren Arbeitsplatz los.
Julica Boshrom war eine wichtige Zeugin für
den ersten Mordfall. Ihr Verhör hatte ergeben, daß sie den Mörder gesehen
hatte, daß sie die bis jetzt einzig bekannte Zeugin war, die eine annähernde
Beschreibung geliefert hatte.
Es war in jener Nacht vom 18. auf den 19.
Oktober gewesen. Da passierte es zum erstenmal, daß zur gleichen Stunde auf die
gleiche Art und Weise sowohl in Prag, Budapest und Wien ein Mensch umgebracht
wurde. Es handelte sich in allen drei Fällen um Frauen, die mit
durchschnittener Kehle gefunden wurden.
Zuvor war diese Art Morde mehrere Male in
Wien registriert worden, und der Täter war als -Frauenmörder von Wien“ in die
Akten eingegangen. Was hatte dazu geführt, daß er in der Nacht vom 18. auf den
19. Oktober plötzlich in Wien, Prag und Budapest zu morden begann? Konnte er
sich auf geheimnisvolle Weise etwa - verdreifachen?
In der Parapsychologie war das Phänomen der Doppelkörperhaftigkeit
bekannt. Von einer Verdreifachung aber war noch nie die Rede gewesen - und sie
war aufgrund des bisherigen Kenntnisstandes in dieser Wissenschaft auch nicht
möglich.
Was also steckte hinter dem grauenvollen
Geheimnis?
Morna gefiel es nicht, daß Julica Boshrom
sich nicht meldete. Sie mußte zu Hause sein. Ihre Kollegin im Interconti hatte
dies
Weitere Kostenlose Bücher