Shannara III
bildeten. Unterwegs hielten sie zwischen Sonnenschein und Wärme und den strahlenden Herbstfarben nach den unheilbringenden Dingen Ausschau, die sich dort versteckt hielten. Gegen Mittag waren sie an den Jadepaß gelangt und machten sich an den langwierigen, weitläufigen Aufstieg seines Südhangs, wo Bäume und Sträucher sie vor neugierigen Blicken schützten, wenn sie ihre Pferde durch die tiefen Schatten lenkten. Gegen Mitte des Nachmittags befanden sie sich ostwärts vom Paß und bahnten sich ihren serpentinenreichen Weg zu den hohen Gipfeln. Gehölz und Gestein dehnten sich finster und schweigend um sie her, als das Tageslicht allmählich nachließ. Noch vor Anbruch der Nacht befanden sie sich hoch im Gebirge. Zwischen den Bäumen, wo sie ritten, huschten jetzt Schatten wie lebendige Wesen umher. Sie hielten die ganze Zeit Ausschau, konnten jedoch kein Anzeichen für andere Lebewesen erkennen und hatten das Gefühl, hier alleine zu sein.
Es war eigentümlich und irgendwie erschreckend, daß man so alleine sein konnte, dachte Brin, als die Dämmerung über die Berge herniedersank und der Tag sich seinem Ende zuneigte. Sie müßten wenigstens eine Spur anderen Lebens gefühlt haben, doch es war, als wäre alles Leben in diesen Bergen und Wäldern erloschen. Keine Vogel zwitscherten in diesen Bäumen, keine Insekten schwirrten herum, nichts rührte sich. Hier herrschte nur Stille, tiefe, alles durchdringende Stille, so daß es schien, diese selbst würde in Ermangelung jeglichen anderen Lebens zu einem lebendigen Wesen.
Allanon ließ sie im Schutz eines Hains rauher, splitteriger Hickorybäume Halt machen und ihr Lager aufschlagen. Sobald die Vorräte sortiert, die Pferde versorgt und die Decken ausgebreitet waren, rief der Druide sie zu sich, befahl, kein Feuer zu entfachen, und stapfte nach einem raschen Wort des Abschieds davon in den Wald. Das Mädchen aus dem Tal und der Hochländer schauten ihm wortlos nach, bis er außer Sicht war, und setzten sich dann, um eine kalte Mahlzeit aus Brot, Käse und getrockneten Früchten zu sich zu nehmen. Sie aßen im Dunkeln, ohne zu sprechen und suchten die Schatten um sich her nach Anzeichen von Leben ab, das niemals auftauchen wollte. Über ihnen erhellte sich der Nachthimmel mit einem weiten Gespinst von Sternen.
»Was glaubst du, wohin er heute nacht gegangen ist?« fragte Rone Leah nach einiger Zeit. Er sprach fast so, als stellte er die Frage an sich selbst. Brin schüttelte den Kopf und schwieg, worauf der Hochländer wieder den Blick abwandte. »Er ist wie ein Schatten, findest du nicht? Dreht sich mit jeder Veränderung von Sonne und Mond, taucht auf und ist auch schon wieder verschwunden - aus Gründen, die nur er kennt. Aber die würde er uns freilich nicht anvertrauen. Doch nicht gewöhnlichen Sterblichen wie uns.« Er seufzte und stellte seinen Teller beiseite. »Außer daß wir vermutlich keine gewöhnlichen Sterblichen mehr sind, wie?«
Brin spielte mit den Resten von Brot und Käse, die noch auf ihrem Teller lagen. »Nein«, antwortete sie leise.
»Nun ja, auch egal. Nichtsdestoweniger sind wir die, welche wir immer waren.« Er machte eine Pause, als fragte er sich, inwieweit er sich dessen eigentlich sicher war. Dann beugte er sich nach vorn. »Es ist eigentümlich, aber meine Einstellung ihm gegenüber hat sich verändert. Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht. Ich traue ihm immer noch nicht ganz. Das kann ich einfach nicht. Er weiß zuviel, was ich nicht weiß. Aber ich mißtraue ihm auch nicht mehr. Ich habe durchaus den Eindruck, daß er nach besten Kräften zu helfen versucht.«
Er hielt inne und wartete, daß Brin ihm zustimmte, aber das Mädchen aus Shady Vale schwieg weiter und hielt den Blick von ihm abgewandt.
»Brin, was macht dir Sorgen?« fragte er schließlich.
Sie schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht.«
»Liegt es an dem, was er uns gestern Abend gesagt hat - daß wir ihn danach nicht wiedersehen würden?«
»Ja, das auch. Aber nicht nur.«
Er zögerte. »Vielleicht bist du einfach nur…«
»Irgend etwas stimmt nicht«, fiel sie ihm ins Wort, und ihre Augen fixierten die seinen.
»Was?«
»Irgend etwas stimmt nicht.« Sie wiederholte es langsam und deutlich. »Mit ihm, mit dir, mit dieser ganzen Reise - aber ganz besonders mit mir.«
Rone starrte sie an. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich verstehe es auch nicht. Ich fühle es nur.« Sie zog ihren Umhang eng an sich und kauerte sich in seine
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