Shannara III
Gewißheit, daß er gleich loslaufen würde, wenn die ihn durchflutende Panik ihn erst überwältigte. Doch dann dachte er an seine Eltern, die ahnungslos zurückkehren würden, wenn er versagte, und an die Elfensteine, die einzige Waffe, vor welcher die Finsteren sich fürchteten - keine zwölf Meter von seinem Standort entfernt in ihrem Versteck.
Er dachte nicht weiter; er handelte einfach. Wie ein lautloser Schatten trat er an den Steinkamin, an dem in der Küche gekocht wurde, und seine Finger tasteten die rauhe Oberfläche des Steins ab, wo er sich in eine Reihe von nischenartigen Vertiefungen hinten an der Mauer entlangzog. Am Ende der dritten Nische gab der Stein unter seiner Berührung nach. Seine Hand schloß sich um einen kleinen Lederbeutel.
Im Raum nebenan rührte sich etwas.
Dann ging plötzlich die Hintertür auf und eine stämmige Gestalt schob sich ins Blickfeld. Jair drückte sich tief in die Dunkelheit der Kaminwand und stand fluchtbereit. Doch die Gestalt ging an ihm vorüber, ohne den Schritt zu verlangsamen und hielt den Kopf gesenkt, als suchte sie ihren Weg zu erkennen. Sie betrat das vordere Zimmer und eine tiefe, kehlige Stimme flüsterte dem Geschöpf, das dort wartete, etwas zu.
Innerhalb eines Augenblicks schoß Jair davon: durch die noch offene Tür zurück in den Schatten der blühenden Sträucher. Er hielt gerade so lange inne, um zu erkennen, daß es sich um den Gnomen handelte, der bei den Eichen Wache gehalten hatte, der nun ins Haus getreten war, dann raste er zu den Bäumen, um dort Deckung zu suchen. Schneller, schneller! schrie er sich lautlos zu. Und ohne einen letzten Blick zurückzuwerfen, flüchtete Jair Ohmsford in die Nacht.
Kapitel 4
Es sollte eine qualvolle Flucht werden.
Schon einmal waren Ohmsfords im Schutze der Nacht vor schwarzen Wesen aus dem Tal geflohen, die sie kreuz und quer durch die vier Länder jagen sollten. Es lag nun über siebzig Jahre zurück, daß Shea und Flick Ohmsford aus ihrem Haus in Shady Vale geschlüpft und mit knapper Not den monströsen, geflügelten Schädelträgern entkommen waren, die der Dämonen-Lord geschickt hatte, um sie zu vernichten. Jair kannte ihre Geschichte; sie waren kaum älter gewesen als er, als sie nach Osten, nach Culhaven zu den Zwergen geflüchtet waren. Aber Jair Ohmsford war nicht weniger fähig als sie. Auch er war im Tal aufgewachsen und verstand etwas vom Überleben in unbekanntem Land.
Als er durch die Wälder des Tales hastete und kaum mehr bei sich hatte als die Kleider, die er am Leibe trug, das Jagdmesser der Talbewohner an seinem Gürtel und den Lederbeutel mit den Elfensteinen in seiner Jacke, tat er das mit dem Vertrauen in seine Fähigkeit, sich unbeschadet zu seinem Ziel durchzuschlagen. Seine Flucht hatte nichts Panisches an sich; sie war nur von einem deutlichen Gefühl der Erwartung geprägt. Nur einen Augenblick lang hatte ihn die Furcht beherrscht, als er in der Küche seines Hauses im Schatten des großen Kamins gestanden und in die Stille gelauscht hatte, wohl wissend, daß nur einen Raum weiter einer der Geister wartete, und wohl fühlend, daß die Boshaftigkeit dieses Wesens sogar die Luft schwängerte, die er atmete. Aber das lag hinter ihm und verlor sich in der Dunkelheit, die immer tiefer in die Vergangenheit rutschte, während er weiterlief, und nun dachte er mit Klarheit und Entschiedenheit.
Das Ziel, das er für seine Flucht ausersehen hatte, war Leah. Es lag eine Dreitagesreise entfernt, doch er hatte sie schon häufig zurückgelegt und konnte sie bewältigen, ohne Gefahr zu laufen, sich zu verirren. Darüber hinaus ließe sich in Leah die Hilfe finden, die im Tal nicht zu bekommen war. Shady Vale war ein kleiner Weiler, dessen Bewohner schlecht gewappnet waren, den schwarzen Wandlern oder ihren Gnomen-Verbündeten Widerstand zu leisten. Leah dagegen war eine Stadt; die Gegenden des Hochlands unterstanden monarchischer Herrschaft und waren durch ein stehendes Heer geschützt. Rone Leahs Vater war König und ein guter Freund der Familie Ohmsford. Jair würde ihm erzählen, was vorgefallen war, und ihn überreden, Patrouillen nach Süden zu schicken, um seine Eltern zu suchen, damit man sie vor der im Tal lauernden Gefahr warnen konnte. Dann würden sie alle in der Stadt Zuflucht suchen, bis Allanon mit Brin und Rone zurückkehrte. Nach Jairs Auffassung war das ein hervorragender Plan, und er konnte keinen Grund finden, warum er nicht gelingen sollte.
Trotzdem wollte der Talbewohner
Weitere Kostenlose Bücher