Shannara III
Denken, während er sich mit den anderen seinen Weg durch den Felstunnel bahnte und der Geruch stickiger Luft und seines eigenen Schweißes in seine Nase drang: Gedanken an sein Zuhause in Shady Vale, an seine in alle Länder zerstreute Familie, an Freunde und vertraute Dinge, die er zurückgelassen und vielleicht verloren hatte, an die bedrückenden Dinge, die ihn quälten, an Allanon und Brin und was sie an diesem finsteren Ort zu dieser bösen Zeit zu suchen hatten. Alles geriet durcheinander und floß zusammen wie dem Wasser beigemischte Farben, und nichts von alledem ergab irgendeinen Sinn. Die Angst war es, die sein Denken so verwirrte, und er versuchte, sich dagegen zu stählen und seine Entschlossenheit wiederzuerlangen.
Die Hohlwege führten lange Zeit bergan, überschritten sich immer wieder und bildeten einen rätselhaften Irrgarten, in dem es keinen Anfang und kein Ende zu geben schien. Doch Spinkser machte niemals halt, sondern führte sie stetig weiter, bis sie schließlich eine breite, im Fels verankerte, eisenbeschlagene Tür erblickten. Sie traten auf sie zu und blieben so lautlos wie die Gänge, die sie hierhergeführt hatten, davor stehen. Jair duckte sich mit den anderen, als Spinkser ein Ohr an die Tür legte und lauschte. In der Stille seines Innern hörte er das Dröhnen seines Herzschlags.
Spinkser richtete sich auf und nickte einmal. Vorsichtig hob er den Riegel an, der die Tür verschlossen hielt, legte die Hände um den Eisengriff und zog. Die Tür schwenkte mit leisem Ächzen auf. Vor ihnen stieg eine Treppe an, die jenseits der Lichtkreise ihrer Fackeln in die Dunkelheit verschwand. Sie machten sich unter Spinksers Führung an den weiteren Aufstieg. Langsam und vorsichtig nahmen sie einen Schritt nach dem anderen und erklommen so allmählich die Stufen. Düsternis und Stille vertieften sich und schlangen sich dicht um sie. Der Treppenschacht endete und mündete oben in eine Tenne aus Steinquadern. Das leise Echo vom Scharren von jemandes Stiefeln auf der Treppe hallte droben rauh durch die Dunkelheit und verlor sich weit entfernt in der Stille. Jair schluckte seine aufkommenden Gefühle hinunter. Es war, als gäbe es da droben nichts als Finsternis.
Dann hatten sie die Treppe verlassen und waren von Dunkelheit umgeben. Wortlos blieben sie dicht bei dem Schacht stehen und spähten mit von sich gereckten Fackeln in die Düsternis. Das Licht reichte nicht bis an Wände und Decke, doch sie fühlten eindeutig, daß sie in einem so gewaltigen Gewölbe standen, daß sie sich wie Zwerge vorkamen. Am Rande des Lichtscheins ihrer Fackeln konnten sie die verdunkelten Umrisse von Kisten und Fässern ausmachen. Das Holz war trocken und faul, die eisernen Beschläge verrostet. Alles war von Spinngeweben überzogen, und über den Boden breitete sich eine dicke Staubschicht.
Doch in dem Staubteppich wiesen gespreizte Fußabdrücke darauf hin, daß hier ein eindeutig nichtmenschliches Wesen gegangen war. Was immer sich in die unteren Gefilde von Graumark gewagt haben mochte, es konnte noch nicht allzulange hier sein, dachte Jair fröstelnd.
Spinkser winkte sie weiter. Die Mitglieder der kleinen Gruppe schritten in die Dunkelheit, ertasteten sich von der offenen Treppe aus den weiteren Weg, wobei der Staub unter ihren Füßen aufgewühlt wurde und zu kleinen Wölkchen aufstiebte, um sich mit dem Licht ihrer Fackeln zu dunstigem Schein zu mischen. Unmengen von Vorratsgütern und vergessenen Lebensmitteln tauchten vor ihnen auf und verschwanden wieder. Und das Gewölbe nahm noch immer kein Ende.
Dann plötzlich führte die ganze Tenne um ein halbes Dutzend Stufen auf eine höhere Ebene und erstreckte sich von dort in die Dunkelheit. Sie stiegen dicht zusammengedrängt hinauf, gingen dann etwa zwanzig Meter weiter und gelangten in einen riesenhaften, gewölbten Korridor. Zu beiden Seiten erkannten sie verschlossene und verriegelte Eisentüren, als sie ihren Weg fortsetzten. Geschwärzte Fackelstumpen hingen in den Eisenhaltern, Ketten lagen in Haufen an den Wänden, und vielbeinige Insekten huschten von ihrem Licht ins schützende Dunkel davon. Ein Gestank, der in Wogen vom Kellergestein emporstieg, hinderte sie, frei zu atmen, und erstickte alle ihre Sinne.
Der Korridor endete an einem weiteren Treppenschacht, der diesmal wie eine aufgerollte Schlange nach oben führte. Spinkser machte sich nach einem kurzen Halt an den Aufstieg. Die anderen folgten ihm. Die Treppe wand sich zweimal um sich selbst und
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