Shannara IV
Gassen. Die länger werdenden Schatten kündigten die Nacht an, aber die Hitze des Tages schien noch in den Mauern der Stadt gefangen. Par blickte zum Himmel auf. Die Mondsichel zeigte sich im Norden, vereinzelte Sterne im Osten. Er versuchte an das zu denken, was er über das Verschwinden des Schwertes von Shannara gehört hatte, stellte jedoch fest, daß er statt dessen an Damson Rhee dachte.
Padishar Creel hatte ihn noch vor Anbruch der Dunkelheit in den Keller des Lagerhauses hinter der Waffenschmiede zurückgebracht, wo Coll und Morgan bereits ungeduldig auf ihre Rückkehr warteten. Der Anführer der Geächteten nahm alle Fragen vorweg, indem er fröhlich lächelte und erklärte, daß alles arrangiert sei. Um Mitternacht würden die Talbewohner, der Hochländer, Blue und er einen kurzen Beutezug in die Schlucht unternehmen, die dem ehemaligen Herrscherpalast vorgelagert war. Sie würden ihren Abstieg mit Hilfe einer Strickleiter bewerkstelligen. Stasas und Drutt würden zurückbleiben. Sie würden die Leiter hochziehen, sobald ihre Gefährten sicher unten angekommen waren, und sich so lange versteckt halten, bis sie gerufen wurden. Dann würden sie auf die gleiche Weise verschwinden, wie sie gekommen waren.
Er erwähnte mit keinem Wort, warum sie das alles tun sollten, und keiner seiner eigenen Männer machte sich die Mühe zu fragen. Sie ließen ihn einfach reden und wandten sich dann wieder der Beschäftigung zu, der sie vorher nachgegangen waren. Coll und Morgan allerdings konnten sich kaum beherrschen, und Par war gezwungen, sie zur Seite zu nehmen und ihnen jede Einzelheit seines Ausflugs zu erzählen.
Als Par seinen Bericht beendet hatte, schüttelte Morgan zweifelnd den Kopf. »Es ist schwer zu glauben, daß eine ganze Stadt vergessen hat, daß es mehr als einen Volkspark und eine Sendic-Brücke gab«, erklärte er leise.
»So schwer auch wieder nicht, wenn man bedenkt, daß die Föderation mehr als einhundert Jahre daraufhingearbeitet hat«, widersprach Coll. »Überleg doch, Morgan. Die Föderation hat die Vier Länder dreihundert Jahre lang umerzogen.«
»Coll hat recht«, sagte Par. »Unseren letzten wirklichen Geschichtskundigen haben wir mit Allanon verloren. Die Geschichten der Druiden waren die einzigen schriftlichen Werke, die die Vier Rassen hatten, und wir wissen nicht, was damit geschehen ist. Das einzige, was uns geblieben ist, sind die Geschichtenerzähler mit ihrer mündlichen Überlieferung, und die meisten sind nicht besonders zuverlässig.«
»Alles, was mit der alten Welt zusammenhängt, gilt als Lüge«, sagte Coll, dessen Augen jetzt kalt waren. »Wir wissen, daß es die Wahrheit ist, aber wir sind praktisch die einzigen. Die Föderation hat alles geändert, damit es ihren Zwecken dienlich ist. Nach einhundert Jahren ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich niemand in Tyrsis daran erinnert, daß der Volkspark und die Sendic-Brücke nicht die sind, die sie einmal waren.«
Morgan runzelte die Stirn. »Aber irgend etwas kommt mir noch immer seltsam vor. Es stört mich, daß das Schwert von Shannara in dieser Schlucht liegt und es keiner gesehen hat. Es stört mich, daß niemand, der sich nach unten wagt, jemals wieder nach oben kommt.«
»Das beunruhigt mich ebenfalls«, pflichtete Coll ihm bei.
Par blickte flüchtig zu den Geächteten hinüber, die ihnen keine Beachtung schenkten. »Keiner von uns hat angenommen, daß die Suche nach dem Schwert ungefährlich sein würde«, murmelte er leicht gereizt. »Ihr könnt doch nicht erwartet haben, daß wir einfach hingehen und es uns nehmen. Natürlich hat es keiner gesehen. Es wäre nicht verschwunden, wenn man es gesehen hätte, oder? Und ihr könnt sicher sein, daß die Föderation dafür gesorgt hat, daß alle, die in die Schlucht hinuntersteigen, nicht wieder heraufkommen. Deshalb haben sie Wachen und Wachhäuser aufgestellt! Außerdem glaube ich, daß die Tatsache, daß die Föderation so viel Mühe darauf verwendet hat, die alte Brücke und den Park zu verstecken, darauf hindeutet, daß sich das Schwert dort unten befindet.«
Coll sah seinen Bruder an. »Das deutet auch darauf hin, daß es dort unten bleiben soll.«
Sie beendeten das Gespräch und zogen sich in verschiedene Ecken des Kellers zurück. Die Hitze des Tages ließ endlich nach. Die kleine Gruppe nahm ohne viel zu reden ihre Abendmahlzeit ein. Nur Padishar Creel wußte allerhand zu erzählen; er gab Geschichten und Witze zum Besten, als ob diese Nacht wie jede
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