Shannara VI
Während sie nach einem frischen Geschirrtuch griff, sagte sie: »Ihr steht zu auffällig hier herum. Geht zurück in die Küche.« Und dann wandte sie sich wieder dem Gastraum zu.
Obwohl ihn dies verwirrte, tat er dennoch, was sie gesagt hatte.
Um Mitternacht schloß das Whistledown. Morgan half beim Aufräumen, und schließlich sagten die alte Köchin und der Bursche mit dem dunklen Haar gute Nacht und gingen durch die Hintertür hinaus. Matty Roh blies die Lampen im Gastraum aus, überprüfte die Schlösser an den Türen und kam zurück in die Küche. Morgan wartete an dem kleinen Tisch auf sie, und sie kam herüber und setzte sich ihm gegenüber.
»Was habt Ihr also heute abend erfahren?« fragte er, halb im Spaß. »Irgend etwas Nützliches?«
Sie sah ihn kühl an. »Ich habe beschlossen, Euch zu vertrauen«, verkündete sie.
Sein Lächeln verblaßte. »Danke.«
»Denn wenn Ihr nicht der seid, der Ihr zu sein behauptet, dann seid Ihr der schlechteste Föderationsspion, den ich jemals gesehen habe.«
Er kreuzte abwehrend die Arme. »Vergeßt den Dank. Ich nehme ihn zurück.«
»Es gibt ein Gerücht«, sagte sie, »daß die Föderation Padishar in Tyrsis gefangengenommen hat.« Die kobaltblauen Augen ruhten unbewegt auf ihm. »Es hat etwas mit einem Gefängnisausbruch zu tun. Ich habe einen Föderationshauptmann darüber sprechen hören. Sie behaupten, daß sie ihn haben.«
Morgan dachte einen Moment lang darüber nach. »Padishar ist schwer zu fangen. Vielleicht ist es wirklich nur ein Gerücht.«
Sie nickte. »Vielleicht. Es ist noch gar nicht so lange her, daß sie behauptet haben, sie hätten ihn am Jut getötet. Sie sagten, die Bewegung sei erledigt.« Sie hielt inne. »Wir werden die Wahrheit auf jeden Fall am Firerim Reach erfahren.«
»Wir werden hingehen?« fragte Morgan schnell.
»Wir werden hingehen.« Sie erhob sich. »Helft mir, ein wenig Proviant einzupacken. Ich werde uns einige Decken holen. Wir werden hinausschlüpfen, bevor es hell wird. Es ist besser, wenn man uns nicht sieht, wenn wir gehen.«
Er erhob sich und ging mit ihr zur Speisekammer hinüber. »Was ist mit dem Wirtshaus?« fragte er. »Muß sich nicht jemand darum kümmern?«
»Das Wirtshaus wird geschlossen bleiben, bis ich zurückkomme.«
Er schaute von dem Laib Brot, den er gerade in einen Sack stecken wollte, auf. »Ihr habt mich belogen, nicht wahr? Ihr seid die Besitzerin.«
Sie begegnete seinem Blick und hielt ihm stand. »Versucht einmal, nicht so einfältig zu sein, Hochländer. Ich habe Euch nicht belogen. Ich bin die Verwalterin, nicht die Besitzerin. Der Besitzer ist Padishar Creel.«
Sie wurden damit fertig, Vorräte und Ausrüstung zum Schlafen zusammenzupacken, banden sich alles auf den Rücken und traten durch die Hintertür in die Nacht hinaus. Die Luft war warm und von den Gerüchen der Stadt erfüllt, und sie eilten leere Straßen und Gassen hinab und achteten sehr genau auf Föderationspatrouillen. Das Mädchen war so still wie ein Geist, eine messerdünne Gestalt, die weich durch die Gebäudeschatten hindurchschnitt. Morgan stellte fest, daß sie das Schwert trug, das sie unter der Theke verborgen gehalten hatte. Sie hatte die schmale Klinge mit ihrer übrigen Ausrüstung auf den Rücken gebunden. Er fragte sich, ob sie wohl auch ihren Besen mitgenommen hatte. Zumindest hatte sie ihre seltsamen Schuhe zurückgelassen und sie durch brauchbarere Stiefel ersetzt.
Sie entfernten sich schnell von der Stadt und zogen gen Norden zum Mermidon, den sie an einer seichten Stelle überquerten, bevor sie sich ostwärts wandten. Sie folgten dem Grat der Drachenzähne, und bei Tagesanbruch zogen sie bereits wieder nördlich über den Rabb. Sie marschierten bis zum Sonnenuntergang stetig weiter und hielten mittags nur gerade lange genug inne, um etwas zu essen und die schlimmste Mittagshitze zu umgehen. Die Ebenen waren staubig und trocken und bar allen Lebens, und die Reise verlief ereignislos. Das Mädchen sprach wenig, und Morgan war es zufrieden, die Dinge so zu belassen.
Bei Sonnenuntergang errichteten sie ihr Lager in der Nähe der Drachenzähne an einem Nebenfluß des Rabb und ließen sich in einem Eschenhain nieder, der sich die Felsen hinaufzog wie Soldaten auf dem Marsch. Sie aßen ihre Abendmahlzeit, während die Sonne hinter den Bergen verschwand, eine dunstige Mischung aus Rot und Gold über die Ebenen warf und mit dem Himmel verschmolz. Als sie fertig waren, saßen sie da und beobachteten, wie sich
Weitere Kostenlose Bücher