Shannara VIII
ausdrucksleerer Stimme.
Sie nickte. »Darauf lässt die Vision schließen. Allerdings entspricht die Vision nicht immer dem, was ich darin zu sehen glaube.«
Sein Lächeln ließ es ihr kalt über den Rücken laufen. »So etwas passiert häufiger im Leben, kleine Seherin.«
»Immerhin hat Ahren Elessedil diese Vision mit seinen Worten ausgelöst«, beharrte sie. »Ohne ihn hätten wir nichts in der Hand.«
»In diesem Fall würde ich euch beide nicht mehr brauchen, nicht wahr?«, fragte er. Er hob eine Hand und deutete beinahe träge auf sie. »Und ihr beide seid auch dann nicht mehr nützlich für mich, wenn man sich nicht länger darauf verlassen kann, dass er die Wahrheit sagt, oder?«
Seine Worte hingen gewichtig in der Luft, und sie wusste, sie musste ihm Widerspruch entgegenhalten. »Er muss nicht unbedingt die Wahrheit sagen, damit ich meine Visionen interpretieren kann.«
Das war eine Lüge, aber sie klammerte sich daran. Sie legte ihre ganze Überzeugungskraft hinein und wich dem Blick des Zauberers auch dann nicht aus, als sie das Leid spürte, das er ihr und ihrer Seele anzutun beabsichtigte.
Nach einer Weile zuckte der Morgawr mit den Schultern. »Dann lassen wir ihn eben noch ein wenig am Leben. Geben wir ihm eine weitere Chance.«
Er sprach, als würde er es ehrlich meinen, doch wusste sie, dass er log. Sein Urteil über Ahren hatte er längst gefällt, so wie Ahren seines über sie gefällt hatte. Der Morgawr glaubte weder an sie noch an ihn, befürchtete sie, aber insbesondere der Elfenprinz hatte seinen Wert für ihn verloren. Möglicherweise würde er versuchen, Ahren ein letztes Mal zu benutzen, doch im Anschluss daran würde er sich seiner sicherlich entledigen. Für widerspenstige Gefangene fehlte ihm die Zeit und die Geduld. Was er von diesem Land, von dessen Geheimnissen und dessen Magie verlangte, befand sich an anderer Stelle. Seine Enttäuschung in Bezug auf Ahren würde wachsen, und am Ende würden der Elfenprinz und auch sie dem zum Opfer fallen.
Wortlos wurde sie entlassen, und so ging sie hinaus und kehrte an Deck zurück. Sie stieg die Kajütstreppe hinauf und machte sich nach vorn zum Bug auf. Dort packte sie die Reling mit beiden Händen, hielt sich daran fest, starrte zum Horizont und betrachtete die große Gebirgskette mit den Wäldern, die Wolkenbänke und die Sonnenstrahlen, die durch die Wolken drangen. Der Tag näherte sich seinem Ende, im Westen schwand das Licht, während im Osten bereits die Dunkelheit aufzog.
Sie schloss die Augen, als sich ihr Bild von der Welt klar in ihrem Kopf abzeichnete, und ließ ihre Gedanken schweifen. Irgendetwas musste sie tun, um den Elfenprinzen zu retten. Dass es so bald notwendig sein würde zu handeln, hatte sie nicht erwartet, doch jetzt schien es unausweichlich. Sie hatte Walker versprochen, den Plan gegen den Morgawr in die Tat umzusetzen, nur brauchte sie Ahren nicht unbedingt länger mit in die Sache hineinzuziehen. Sein Schicksal sollte sich an einem anderen Ort erfüllen, fern dieses Landes und seiner Heimtücke, zu Hause in den Vier Ländern, wo er mit seinem Erbe eine andere Aufgabe erfüllen würde. In den Visionen gemeinsam mit Walker hatte sie darauf einen Blick erhascht. Außerdem wusste sie es aufgrund der Worte, die der Druide im Sterben gesagt hatte. Sie fühlte es in ihrem Herzen.
Genauso spürte sie die Unabänderlichkeit des Schicksals, welches sie selbst erwartete.
Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen und um sich mit dem Gedanken an das Unausweichliche anzufreunden. Für Walker war es wichtig, dass sie den Morgawr in die Irre führte, seine Hetzjagd verzögerte und für Grianne Ohmsford Zeit herausschlug. Darum hatte der Druide sie keineswegs leichten Herzens gebeten, sondern im Gegenteil nur deshalb, weil es von unbedingter Dringlichkeit war und weil er ihr und ihren Fähigkeiten vertraute. Angesichts solcher Erwartungen kam sie sich klein und zerbrechlich vor, ein Kind im Körper einer jungen Frau, und eine erwachsene Weiblichkeit konnte sie sich kaum mehr vorstellen. Ihre Seherinnenseele hatte ihr nicht erlaubt, so wie andere Frauen aufzuwachsen, und doch war es gerade diese Seele, die schon so alt war. Nichtsdestoweniger war sie zu allem entschlossen. Sie war die rechte Hand des Druiden, und er war stets bei ihr und schenkte ihr Kraft.
An dieses Wissen klammerte sie sich wie an einen Talisman, während sie ihre Pläne schmiedete.
Nach Einbruch der Nacht machte sie sich an
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