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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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du hauen rein, dass sie denken die Leute, hast du ein Baby unter dein Kleid.«
    »Na gut«, sagte Karla langsam und sah mich an. »Dein Prabaker ist ein echter Überredungskünstler.«
    »Du solltest erst mal seinen Vater kennen lernen«, antwortete ich kopfschüttelnd und mit resigniertem Achselzucken.
    Prabaker schwoll vor Stolz die Brust, und er wiegte glücklich den Kopf.
    »Und wo findet dieses Essen statt?«
    »Im Himmelsdorf«, erwiderte ich.
    »Davon habe ich noch nie gehört«, sagte sie verblüfft.
    Prabaker und ich lachten, und ihr Stirnrunzeln wurde noch argwöhnischer.
    »Nein, hast du ganz bestimmt nicht, aber ich glaube, es wird dir gefallen. Geh doch schon mit Prabaker vor, ich wasch mich noch rasch und zieh mich um. Ich komme in ein paar Minuten nach, okay?«
    »Gut«, sagte sie.
    Unsere Blicke trafen sich, verfingen sich ineinander. Aus irgendeinem Grunde verweilten ihre Augen auf mir, blickten mich erwartungsvoll an. Ich wusste ihren Ausdruck nicht zu deuten und versuchte mir immer noch einen Reim darauf zu machen, als sie zu mir trat und mich rasch auf die Lippen küsste. Es war ein freundlicher Kuss, spontan, freigebig und leichten Herzens, doch ich ließ mich dazu hinreißen zu glauben, es sei mehr gewesen. Sie ging mit Prabaker hinaus, und ich wirbelte auf einem Fuß herum, stieß einen leisen Jubelschrei aus und vollführte einen kleinen Freudentanz. Als ich aufblickte, sah ich, dass die Kinder durch die Löcher in meine Hütte guckten und über mich kicherten. Ich schnitt eine Grimasse, woraufhin sie lauter lachten und begannen, meinen kleinen Freudentanz zu imitieren. Zwei Minuten später stürmte ich durch die Gassen des Slums hinter Karla und Prabaker her, stopfte mir im Rennen das T-Shirt in die Hose und schüttelte mir das Wasser aus dem Haar.
    Unser Slum war, wie viele andere in Bombay, im Gefolge einer Großbaustelle entstanden: Am Ufer der Colaba Back Bay wurden damals zwei fünfunddreißig Stockwerke hohe Türme errichtet, das zukünftige World Trade Center. Die Handwerker und Bauarbeiter, die diese Hochhäuser bauten, waren in einer Barackensiedlung untergebracht, einer Ansammlung kleiner Slumhütten auf einem Gelände neben der Baustelle. Damals mussten Unternehmen, die den Bau großer Gebäude planten und durchführten, den Arbeitern immer ein Gelände zum Wohnen zur Verfügung stellen. Etliche der Handwerker waren nicht sesshaft, sondern zogen der Arbeit nach; ihr eigentliches Zuhause lag oft Hunderte Kilometer entfernt in einem anderen Staat. Und viele der aus Bombay stammenden Arbeiter hatten auch keine andere Unterkunft als diejenige, die ihnen von den Auftraggebern gestellt wurde. Viele Männer nahmen diese harten und gefährlichen Jobs nur an, weil sie ein Dach über dem Kopf haben wollten.
    Die Unternehmen hielten sich gern an die Auflage, Land und Hütten bereitzustellen, denn sie profitierten von diesem Arrangement. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das in den Slums entstand, gewährleistete einen beinahe familiären Zusammenhalt der Arbeiter. Sie waren solidarisch miteinander und dem Unternehmen gegenüber loyal. Hinzu kam, dass eine gesamte Belegschaft von mehreren Tausend Menschen wesentlich leichter zu beeinflussen und bis zu einem gewissen Grad sogar kontrollierbar war, wenn alle in einer großen Gemeinschaft zusammenlebten. All das kam den Arbeitgebern sehr entgegen, ebenso wie die Tatsache, dass die weiten Wege zum Arbeitsplatz entfielen und man Frauen, Kinder und andere Familienmitglieder der Arbeiter als zusätzliche Arbeitskräfte je nach Bedarf auch kurzfristig einsetzen konnte.
    Bereits im Planungsstadium des World Trade Centers wurde ein Stück Land abgegrenzt und in über dreihundert kleine Parzellen aufgeteilt. Jeder Arbeiter, der eingestellt wurde, erhielt eine dieser Parzellen und eine bestimmte Summe Geld, mit der er sich Bambusstangen, Bastmatten, Hanfseile und Holzreste kaufen konnte. Daraus baute er sich mithilfe seiner Familie und Freunde seine eigene Unterkunft. Diese Ansammlung windschiefer Hütten breitete sich aus wie ein flaches, zartes Wurzelsystem, aus dem später die Hochhäuser emporsprießen würden. Dann wurden riesige unterirdische Wasserreservoirs angelegt, Gassen und Wege planiert und das Gelände mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, um illegale Siedler fernzuhalten. Damit war der behördlich genehmigte Slum fertig.
    Es dauerte nicht lange, und die ersten illegalen Siedler ließen sich jenseits des Zauns nieder; der regelmäßige

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